Weinen in der Dunkelheit
Untersuchungen über mich ergehen lassen und bekam Medikamente und Kurzwelle. Danach brauchte ich nie mehr zum Kartoffeleinsatz zu fahren.
Eifersucht
Wieder einmal bekamen wir eine Neue. Der Hausleiter stellte sie uns bei einem Appell vor.
Paula, dreizehn Jahre alt, wirkte sehr selbstbewußt und nicht so schüchtern wie die meisten, wenn sie zum ersten Mal ins Heim kamen. Sie hatte braune Augen und lockiges Haar. Wie immer, wenn eine Neue kam, umringten wir sie, und sie mußte erzählen, weshalb man sie ins Heim gebracht hatte. Ihre Mutter war gestorben, der Vater mußte arbeiten. Niemand konnte sich um die vier Kinder kümmern.
Ich betrachtete sie beim Erzählen, fand, daß sie recht hübsch war, und ahnte nicht, daß ich mit ihr einmal ein ganz schlimmes Erlebnis haben würde.
Paula bekam oft Besuch von ihrem Vater und seiner Freundin. Sie haßte diese Frau, was keiner verstand. Uns beeindruckte sie durch ihre Erscheinung, sie war groß und langhaarig. Bald bemerkte ich, daß sie großes Interesse an Silke, einem Mädchen aus meinem Zimmer, hatte. Silke lebte so lange wie ich im Heim, sie kannte ihre Eltern auch nicht. Bald zeigte sie ebenfalls große Zuneigung zu dieser Frau. Es kam soweit, daß der Vater Paula besuchte und die Frau Silke. Nun steigerte sich Paulas Haß gegenüber ihrer zukünftigen Stiefmutter noch mehr.
Wir bewunderten diese schöne Frau. Bei Spaziergängen durch den Wald begleiteten wir sie und Silke.
Jede von uns versuchte, mit der Frau ins Gespräch zu kommen, nur Paula nicht, sie lief immer ganz hinten.
Plötzlich flog der Frau ein Stein an den Kopf. Sie drehte sich lachend um, ließ sich den Schmerz nicht anmerken und rief:
»Paula, komm nach vorn, wir können uns dann besser unterhalten.«
Paula rannte zu ihr und trat ihr kräftig in den Hintern. Sofort drehte sich die Frau um, da spuckte ihr Paula ins Gesicht und beschimpfte sie mit Nutte, Hure und olle blöde Sau. Noch nie hatte ich die Wörter Hure und Nutte gehört, geschweige denn ihre Bedeutung kennengelernt. Ich merkte nur an Paulas Vater, wie schlimm sie waren, denn er gab ihr eine Ohrfeige, worauf sie weglief. Betreten setzten wir den Spaziergang fort, bald war von diesem Zwischenfall keine Rede mehr. Aber es bildeten sich zwei Gruppen. Der eine Teil verstand Paula, der Rest der Mädchen Silke.
Silke tat mir genauso leid wie Paula, weil sie nie eine Mutter gehabt hatte. Paula hatte jetzt zwar eine neue Mutter, aber sie gab ihr die Schuld für ihren Heimaufenthalt. Daß die Stiefmutter sich nun auch noch einem fremden Mädchen zuwandte, machte bei Paula das Maß voll. Jeden Tag verprügelte sie Silke, zog sie an den Haaren, zerriß ihre Sachen und räumte ihr den Schrank aus. Dabei half die Clique von Paula kräftig mit.
Da ich Silke beistand, ließ sich Paula etwas ganz Besonderes einfallen. Es war an einem Nachmittag, wir spielten im Tagesraum. Plötzlich kam Paula mit ihrer Clique in den Raum und verkündete, wir sollten uns alle wieder vertragen. So richtig wußten wir nicht was wir davon halten sollten, waren aber doch froh darüber, denn eine Spaltung in der Gruppe hatten wir noch nie.
Sie machte den Vorschlag, Turnsachen anzuziehen. Sie wollte uns dann zum Sport im Wald abholen. Wir waren begeistert und zogen uns um. Nach und nach holte sie jedes Mädchen einzeln. Da die Mädchen nicht zurückkamen, dachte ich, es sei alles in Ordnung. Paula fragte noch, ob ich den Schlüpfer unter der Turnhose ausgezogen hätte. Ich sagte: »Nein!« Sie verlangte, daß ich ihn ausziehe, aber das wollte ich nicht.
»Nun hab dich nicht so albern«, erwiderte sie und zeigte mir, daß sie auch keinen unter ihrer Turnhose trug. Da ich mich nicht zanken wollte, zog ich den Schlüpfer widerwillig aus.
Im Wald hatten die Mädchen eine Decke hingelegt. Wir machten erst gemeinsame Bodenübungen, dann sagte Paula zu mir:
»Leg dich allein auf die Decke.«
Da mich alle Mädchen gespannt ansahen, ahnte ich nichts Gutes und fragte, was das werden solle. Paula legte sich auf die Decke und zeigte mir eine Brücke. Ich konnte auch im Sport keine Brücke aus dem Stand und weigerte mich.
»Hab dich nicht so, es wird schon gehen!«
Also legte ich mich hin und versuchte eine Brücke. Plötzlich stürzten sich alle Mädchen auf mich und versuchten, mir die Turnhose auszuziehen. Ich schrie und wehrte mich verzweifelt. Es war damals die Zeit, in der ich mich am meisten schämte. Mit meinen elf Jahren war ich groß und ziemlich weit entwickelt. In
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