Weinland & Stahl
der Sender, der für Sie am Ball ist.«
Als das Fernsehbild wechselte und zwei Mexikaner Werbeslogans für ein Taco-Restaurant droschen, schaffte Heaven es endlich, den Blick abzuwenden und Reuven anzusehen. In seinen Augen hielten sich Verärgerung und Bestürzung die Waage.
»Weißt du, wo das ist?«, fragte sie ihn und wies dabei zum Fernseher.
»Dieses Theater? Klar. Am Broadway.«
»Beschreib mir den Weg«, verlangte Heaven, während sie von ihm glitt. Als er sich zur anderen Seite des Bettes rollte, nutzte Heaven die Gelegenheit, das Mimikrykleid dazu zu veranlassen, sie wieder in ein Catsuit zu hüllen. Der schwarze Stoff, der sich zu einem schmalen Gürtel um ihre Hüfte zusammengerollt hatte, floss auseinander und kleidete sie wie gewünscht.
»Mann, bist du schnell«, meinte Reuven verwirrt, als Heaven fertig angezogen vor ihm stand, während er noch in seine Unterhose zu steigen versuchte.
»Wo ist das Theater?«, drängte Heaven.
»Meinst du, dass dieses Monster dafür verantwortlich ist?«, fragte Reuven, sich weiter anziehend.
»Nein.«
»Warum willst du dann hin?«
»Weil...«, setzte Heaven an und verschluckte nach kurzem Zögern den Rest dessen, was sie hatte sagen wollen:
... ich etwas im Bild gesehen habe. Eine Bewegung, die offensichtlich von niemandem verursacht wurde. Von einem Wesen, das keinen Schatten wirft und das von keiner Kamera erfasst werden kann. Von einem Vampir!
Doch all das sprach sie nicht aus. Statt dessen wiederholte sie nur: »Beschreib mir den Weg!«
»Nicht nötig«, erwiderte Reuven Lamarr. »Ich bringe dich hin.«
»Das... solltest du nicht tun«, flüsterte Heaven.
Sie hatte in Reuvens Augen etwas entdeckt, das sie lange nicht mehr gesehen hatte. Einen Ausdruck, mit dem auch Beth sie oft angesehen hatte, in Momenten wie diesen. So voller Zärtlichkeit, Wärme, Vertrauen...
Beth würde sie nie mehr so ansehen.
Und Heaven wollte nicht, dass Reuven Lamarr das Schicksal ihrer früheren Freundin teilte. Das Schicksal der meisten, die ihr vertraut, die Heaven
geliebt
hatten...
Deshalb wurde Heaven von ihrer eigenen Antwort regelrecht überrascht:
»Dann komm!«
Denn mindestens ebenso schwer wie der Wunsch, Reuven nicht in Gefahr zu bringen, wog etwas anderes in ihr: der Wille, nicht zu dem zu degenerieren, was ihr Schicksal zu werden drohte – die
einsame
Rächerin.
Reuven ging hinaus, und Heaven folgte ihm.
Wehen Herzens.
Aber auch –
– durstig...
Der herbe, metallene Geruch von Rohöl war auch dann überall auf der NOSTROMO, wenn ihr gewaltiger Bauch – wie jetzt auf der Rückfahrt nach Alaska – nicht mit dem schwarzen Gold gefüllt war. Doch er wurde verdrängt, als Parker Flagg die schwergängige Tür mit der Schulter aufstemmte und der fast schon bestialische Gestank Jahre alten Unrats durch den Spalt herausquoll wie eine beinahe sichtbare Wolke.
Flagg atmete flach und versuchte sich abzulenken, indem er an das dachte, was da vor ihm in der Finsternis seiner harren mochte.
Es funktionierte erstaunlich gut, und sogar der Mief verwandelte sich in seiner Phantasie in einen ganz anderen Duft. In einen, für den er in den nächsten Tagen zur Abwechslung einmal nicht bezahlen musste. Denn er hatte seine Vorleistung schon erbracht, indem er das kleine Luder an Bord der NOSTROMO geschmuggelt hatte. Im New Yorker Hafen hatte sie verschiedene Leute angesprochen und nach einer kostenlosen Passage nach Alaska gefragt. Dabei hatte sie das Glück gehabt, unter anderem auch an Parker Flagg zu geraten.
Nun, zumindest war es Glück für
ihn
gewesen...
Er hatte ihr versprochen, sie zwar nicht luxuriös, aber sicher in den nördlichsten Staat der USA zu bringen. Wenn sie unterwegs nur ein paarmal... 'nett' zu ihm war...
In einem Moment wie diesem fiel es Flagg leicht, seinen Neid auf Männer wie Joseph Brundle zu vergessen, auf die zu Hause eine Familie wartete. Die überhaupt ein Zuhause
besaßen
. Weil er, Parker Flagg, Dinge tun konnte, die Männer wie Brundle nie ohne Gewissensbisse tun konnten. Weil er ein freier Mann war.
Dass er im Grunde seit Jahren ein Gefangener der NOSTROMO war und sein Gewissen auf irgendeiner der ewigen Frachttouren zwischen New York und Barrow an der nördlichsten Spitze Alaskas verloren hatte, das hatte er längst vergessen.
Leise, obwohl es im Getöse des Sturms, das durch die dicken Stahlwände hereindrang, und im ewigen Dröhnen der Maschinen ohnehin niemand hören konnte, schloss Flagg das Schott und verharrte
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