Weinprobe
nachmittag Larry Trents Geburtsurkunde aufgespürt.
Er war unehelich. Seine Mutter war eine Jane Trent. Vater unbekannt.«
»Was werden Sie tun?« fragte ich. »Soll ich die
Polizei verständigen?«
»Nein, noch nicht. Lassen Sie’s mich überlegen, und
ich rufe Sie wieder an. Sind Sie den ganzen Abend in Ihrem Laden?«
»Ja, bis neun.«
»Gut.«
Ich öffnete wieder um sechs und mühte mich
vergebens, den Bedürfnissen der Kunden echtes Interesse entgegenzubringen. Ich
fühlte mich schlapp und schwach auf den Beinen wie nach einer Krankheit und
fragte mich, wie Gerard ein ganz der Verbrecherjagd gewidmetes Berufsleben mit
völlig ruhigen, intakten Nerven überstanden hatte.
Erst kurz vor Ladenschluß rief er wieder an, und da
klang er erschöpft.
»Hören Sie … Tony … können wir uns morgen
früh um neun in Martineau Park treffen?«
»Ehm …«, sagte ich schwach. »Na ja …
schon.« Da noch mal hinzufahren, dachte ich, das stand auf meiner
Dringlichkeitsliste so weit unten, daß es ungerührt hätte herausfallen können.
»Gut«, meinte Gerard ungerührt. »Ich hatte allerhand
Arbeit damit, den Inhaber der Lieferfirma in Martineau aufzustöbern. Warum
fährt an Wochenenden alles weg? Jedenfalls will er sich morgen früh dort mit
uns treffen. Wir finden beide, daß es am besten ist, erst mal festzustellen,
was da läuft, bevor wir der Polizei etwas sagen. Ich sagte ihm, daß ich Sie
mitbringen würde, weil Sie den Scotch und den Wein erkennen, wenn Sie davon
kosten, und er fand auch, daß Sie unverzichtbar seien. Er selbst sei kein Experte,
sagt er.«
Gerard ließ den Ausflug als reine Routine
erscheinen. Ich sagte: »Vergessen Sie auch nicht, daß morgen nachmittag Paul
Young dahin kommt?«
»Nein. Deshalb müssen wir beizeiten fahren, bevor
er irgend etwas wegschafft.«
»Ich wollte sagen … die Polizei könnte ihn
doch festnehmen und feststellen, wer er ist.«
»Sobald wir sicher sind, daß der Whisky in
Martineau ist, werden wir sie alarmieren.« Er sprach bedächtig, aber in seiner
Stimme waren Vorbehalte. Die Polizei würde die Arbeit erst tun, wenn die seine
beendet war.
»Kann ich auf Sie zählen?« sagte er nach einer
Pause.
»Daß ich sie nicht trotzdem verständige?«
»Ja.«
»Ich werde es nicht tun«, sagte ich.
»Fein.« Er gähnte. »Dann gute Nacht. Bis in zwölf
Stunden.«
Er wartete in seinem Mercedes vor dem Haupttor,
als ich eintraf, und der Schlaf hatte offensichtlich wenig zu seiner Erholung
beigetragen. Graue Schatten lagen auf seinen hageren Wangen, dazu verquollene
Augensäcke und Streßfalten ringsum, die ihn um Jahre älter machten.
»Kein Wort darüber«, sagte er, als ich herankam.
»Antibiotika schaffen mich.« Ich sah, daß er immer noch seine Armschlinge trug,
wenn er nicht gerade fuhr. Er gähnte. »Wie kommen wir da rein?«
Wir benutzten denselben Weg, den ich am Tag vorher
genommen hatte, da wieder alle Tore offenstanden, und gelangten zu Fuß bis zum
Büro des Rennvereinssekretärs, ehe uns jemand entgegentrat. An dieser Stelle
kam derselbe Mann wie am Vortag mit buschig erhobenen Augenbrauen heraus und
fragte höflich, ob er uns helfen könne.
»Wir möchten zu Mr. Quigley … dem
Lieferanten.«
»Aha.«
»Ich bin Gerard McGregor«, sagte Gerard. »Dies ist
Tony Beach.«
Die buschigen Augenbrauen zogen sich zusammen. »Ich
dachte, Sie heißen Cash«, sagte er zu mir. »Peter Cash.«
Ich schüttelte den Kopf. »Beach.«
»Oh.« Er war verwirrt, aber zuckte die Achseln. »Na,
Sie kennen ja den Weg.«
Wir lächelten, nickten, gingen weiter.
»Wer ist Peter Cash?« fragte Gerard.
»Niemand.« Ich erklärte, wie Vernon mich am Vortag so lange gesucht hatte. »Er sollte nicht erfahren, daß Tony Beach derjenige
war, welcher. Peter Cash war der erste Name, der mir in den Sinn kam.«
»Wollen Sie damit sagen«, fragte er bestürzt, »daß
dieser Vernon Sie über die ganze Tribüne gejagt hat?«
»Gejagt wohl kaum.«
»Ihnen muß es so vorgekommen sein.«
»Mm.«
Wir erreichten die grüne Tür, die jedoch dieses Mal
fest verschlossen war. Gerard blickte auf seine Uhr, und fast im gleichen
Moment tauchte ein subunternehmerhaftes Auto am anderen Ende des
Totalisatorgebäudes auf, hielt nicht weit von uns vor der Gaststätte und spie
einen subunternehmerförmigen Insassen aus.
Er hatte schwarzes Haar, einen Schnurrbart und
einen Spitzbauch. Zu den ersten Eindrücken zählte auch eine gewichtige Miene,
ein Hauch von Reizbarkeit und eine
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