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Weinprobe

Weinprobe

Titel: Weinprobe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dick Francis
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mit geschärften Krallen.
    Als ich mich schließlich rührte, geschah es aus
einer Art Scham. Ich konnte ja da nicht immer weiter bibbern. Selbst wenn die
Katze direkt vor Orkneys Tür wartete … riskieren mußte ich es trotzdem.
    Ich lugte ganz vorsichtig hinaus … und es war
niemand in Sicht. Flach atmend, mit rasendem Puls, trat ich langsam auf die
Galerie und blickte durch die Fenster dort auf den breiten asphaltierten Platz
hinter der Tribüne, über den ich zu der grünen Tür gekommen war.
    Die grüne Tür selbst lag hinter einer Ecke
verborgen, und von meinem Winkel aus konnte ich keine Transporter sehen …
und keinen Rolls-Royce.
    Niemand stand unten im Tribünenhintergrund, der zu
der Galerie hinaufgeblickt hätte, aber ich rutschte mit dem Rücken an den
Logenwänden entlang, glitt nervös an den offenen Türen vorbei, darauf gefaßt,
jeden Moment anzuhalten, unterzuschlüpfen, zu erstarren.
    Kein Laut. Ich erreichte die Stelle, wo die Galerie
in einen breiteren Gang mündete, und auf dem letzten Meter Fenster, bei meinem
letzten Blick nach unten, sah ich Vernon in Sicht kommen.
    Er schaute sich immer noch um. Schaute immer noch
nach oben. War immer noch unbefriedigt, besorgt, hartnäckig.
    Ich beobachtete ihn atemlos, bis er wieder zu den
Gebäuden zurückging, dann rannte ich durch den Gang, weil er mich zumindest an
diesem Punkt nicht sehen konnte, und näherte mich am anderen Ende mit Zittern
der Treppe zur nächsttieferen Etage. In heller Angst stieg ich dort hinunter
und kam zu dem riesengroßen Balkon, wo sich zu beiden Seiten Stuhlreihen
erstreckten, die ihre hochgeklappten Sitzflächen der leeren Bahn zukehrten.
    Ich ging hinter der obersten Sitzreihe weiter in
Richtung Zielpfosten und erblickte niemand, und am Ende hüpfte ich über ein
Geländer in ein ähnliches Revier, das bündig beschildert war: »Nur für Besitzer
und Trainer.« Kein einziger Besitzer oder Trainer in Sicht. Auch nicht Vernon
und nicht Paul Young.
    Von »Besitzer und Trainer« führte eine schmale
Treppe abwärts in den Hauptteil der Tribüne, und klopfenden Herzens ging ich da
hinunter, während ich mir einzureden suchte, je kleiner der Bereich, in dem ich
mich befand, um so unwahrscheinlicher sei es, daß ich von weitem entdeckt
würde.
    Die »Besitzer und Trainer«-Treppe führte in die
»Besitzer und Trainer«-Bar. Hier waren Rohrstühle, kleine glasgedeckte Tische,
Wandgemälde von sportlichen Ereignissen, aber weder eine Flasche noch ein Glas
war in Sicht; und am anderen Ende ging es eine Reihe breiter Stufen hinab zu
einem Panoramafenster, von dem aus man den Führring überblicken konnte. Linker
Hand, noch vor dem Führring, lagen der Waageraum und das Büro des
Vereinssekretärs. Hinter dem Führring lag das Tor zum Parkplatz und zur
Freiheit.
    Ich war da. Fast da. Eine Tür am Fuß der Treppe
führte direkt hinaus auf den Platz vor dem Waageraum, und wenn nur diese Tür,
wie jede andere im Gebäude, unverschlossen war, wäre ich draußen.
    Ich näherte mich der Treppe, einzig mit diesem Gedanken,
und hinter der Tribüne, kaum zwanzig Schritte von mir weg, kam Vernon
anmarschiert.
    Wäre er zu dem Glas gegangen und hätte
durchgeschaut, er hätte mich deutlich gesehen. Ich sah sogar die braunen und
weißen Karos seines Hemdkragens über dem Reißverschluß seiner Jacke. Ich stand
stockstill in fröstelnder Bestürzung und beobachtete, wie er zum Büro des
Rennvereinssekretärs ging und an die Tür klopfte.
    Der Mann, der dort am Schreibtisch gesessen hatte,
kam heraus. Ich sah, wie sie sich unterhielten. Sah, wie sie beide zur Tribüne
herüberblickten. Der Mann aus dem Büro deutete in die Richtung, in die er mich
geschickt hatte, um die Lieferanten zu finden. Vernon schien brennende Fragen
zu haben, doch der Mann vom Büro schüttelte den Kopf und ging nach einiger Zeit
wieder hinein; und mit deutlich sichtbarer Enttäuschung eilte Vernon den Weg zurück,
den er gekommen war.
    Die Tür ausgangs der »Besitzer und Trainer«-Bar
erwies sich als von innen verriegelt, einmal oben, einmal unten. Unbeholfen
löste ich die Riegel. Die Tür selbst … der Knauf drehte sich mit meiner
Hand. Sie ging nach innen auf, als ich zog, und ich trat hinaus mit dem Gefühl,
wenn in diesem Moment Vernon oder Paul Young über mich herfielen, würde ich
kreischen, buchstäblich kreischen vor Hysterie.
    Sie waren nicht da. Ich schloß die Tür hinter mir
und ging mit weichen Knien los, und der Mann von dem Büro kam aus seiner

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