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Weinprobe

Weinprobe

Titel: Weinprobe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dick Francis
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Vorliebe für weiße Seidenschals,
schlipsähnlich getragen unter nautischen Blazern.
    »Miles Quigley«, verkündete er kurz. »Gerard McGregor?«
    Gerard nickte.
    »Tony Beach«, sagte ich.
    »Gut.« Er musterte uns ohne Herzlichkeit. »Sehen
wir mal, was an der ganzen Sache dran ist, ja? Obwohl ich Ihnen nochmals sage,
was ich Ihnen schon gestern abend gesagt habe, nämlich, daß Sie sich irren.
Vernon arbeitet seit Jahren für unsere Familie.«
    Ich konnte fast spüren, wie Gerard an hundert
Klienten dachte, die das gleiche gesagt und geglaubt hatten.
    »Vernon wer?« sagte er.
    »Bitte? Nein, Vernon ist sein Nachname. Er wird
stets Vernon genannt.«
    Das Schlüsselloch in der grünen Tür war rund und
nichtssagend. Der Schlüssel, den Miles Quigley hervorholte, war fünfzehn
Zentimeter lang. Das eine drehte sich im anderen unter gehörigem Druck und dem
mehrfachen Klicken eines schweren Steckschlosses.
    »Das ist die erste verschlossene Tür, die ich auf
dieser Rennbahn sehe«, bemerkte ich.
    »Wirklich?« Miles Quigley hob die Brauen. »Zwischen
den Veranstaltungen halten sie gern alles offen, um die Wartung zu erleichtern,
aber ich kann Ihnen versichern, daß nachts alles abgeschlossen ist. Nach
Einbruch der Dunkelheit tut ein Wachmann Dienst. Wir sind wegen des ganzen
Alkohols, der hier lagert, natürlich sehr sicherheitsbewußt.«
    Die grüne Tür ging, wie diejenige an meinem Lagerraum,
nach außen auf; es erschwert einen Einbruch. Miles Quigley riß sie weit auf,
und wir traten auf den Gang, wo er wichtigtuerisch das Licht anknipste, indem
er mit der flachen Hand auf eine Doppelreihe von Schaltern klatschte. Das allzu
vertraute Bild von gestern tauchte wieder vor mir auf – der lange Korridor, der
sich dämmrig bis in das Innere der Küche erstreckte.
    Auf dem breiteren Gang, der zum Getränkelager
führte, öffnete Quigley einen kleinen Schrank mit der Aufschrift »Erste Hilfe«
und verwandte für das Innere einen zweiten Schlüssel, nicht so groß wie der
erste, doch ebenso ausgefeilt.
    »Alarmanlage«, erklärte er mit überlegener Miene.
»Ein wärmeempfindliches System. Dringt irgend jemand in das Lager ein, wenn die
Anlage läuft, ertönt eine Sirene in dem Wachbüro hier auf der Rennbahn und
außerdem auf der Polizeizentrale in Oxford. Wir prüfen das System regelmäßig.
Sie können versichert sein, daß es funktioniert.«
    »Wer hat Schlüssel dafür?« fragte Gerard, und
Quigleys gereizter Blick war schon selbst eine Antwort.
    »Vernon würde ich mein Leben anvertrauen«, sagte
er.
    Ich nicht, dachte ich. Ich würde das nicht tun.
    »Nur Vernon und Sie haben Schlüssel?« hakte Gerard
nach.
    »So ist es. Schlüssel zur Alarmanlage und Schlüssel
zum Lager. Die Rennbahn hat einen Schlüssel zu der Außentür – der grünen.«
    Gerard nickte unbestimmt. Quigley kehrte dem
Problem den Rücken und zog einen dritten und vierten Schlüssel hervor, um die
massive Tür zum eigentlichen Lager zu öffnen, wobei jeder Schlüssel abwechselnd
zweimal herumgedreht werden mußte. Bedachte man den Wert des im Inneren
gestapelten Alkohols, waren die tresorraumähnlichen Vorkehrungen vermutlich
nicht ungerechtfertigt.
    »Kann man von Ihren Schlüsseln Duplikate bekommen?«
fragte Gerard.
    »Bitte? Nein. Sie sind nur über die Firma
erhältlich, die das System installiert hat, und die würden ohne mein Einverständnis
keine Duplikate herausgeben.«
    Quigley war jünger, als ich zunächst angenommen
hatte. Nicht Mitte Vierzig, entschied ich, als ich im helleren Licht des Lagerraums
neben ihm stand; eher ein Mittdreißiger, der auf fünfzig machte.
    »Sie sagten, ein Familienbetrieb?« fragte ich.
    »Im Prinzip ja. Mein Vater hat sich zurückgezogen.«
    Gerard warf ihm einen trockenen Blick zu. »Aber Ihr
Vater ist, glaube ich, doch noch Vorsitzender?«
    »Präsidiert bei Vorstandssitzungen, ja«, sagte
Quigley gönnerhaft. »Gibt ihm das Gefühl, erwünscht zu sein. Alte Menschen
brauchen das eben. Aber ich führe die Geschäfte. Seit drei Jahren jetzt. Sie
können sich denken, daß es eine große Firma ist. Wir beliefern nicht nur diese
Rennbahn, sondern auch viele andere Sportveranstaltungen sowie Hochzeiten und
Bälle. Da kommt was zusammen – und wir vergrößern uns ständig.«
    »Lagern Sie alles hier?« fragte ich. »Ihr Leinen,
Ihr Tafelgeschirr, Gläser und dergleichen?«
    Er schüttelte den Kopf. »Hier nur den Alkohol,
wegen der guten Sicherheitsbedingungen am Ort. Alles andere ist zwei Meilen
weiter

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