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Weinrache

Weinrache

Titel: Weinrache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Kronenberg
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heute auch nicht anzurufen!«
    Norma widerstand dem Impuls, umgehend aufzulegen. »Wie geht es dir?«
    »Wie solls schon gehen? Bei der Arbeit!«
    »Und Folke?«
    Sonst kam das Gespräch leicht in Gang, wenn Norma nach ihrem Bruder fragte. Aber nun gelang ihr damit ein Stich ins Wespennest.
    »Seine Freundin hat Schluss gemacht! Heutzutage will doch keine mehr einen Bauern heiraten!«
    Es folgte ein Rundumschlag gegen die modernen jungen Frauen. Norma hörte wortlos zu und nahm sich vor, anschließend in die Wohnung hinaufzugehen und sich endlich den ersten Yogaübungen zu widmen. Dabei würde sie hoffentlich die Ablenkung finden, die sie dringend brauchte. Die Totenposition hatte sie schon vor dem Aufstehen im Bett ausprobiert. Der Name gefiel ihr nicht.
    Sie hatte das Gespräch kaum beendet, als ein Schatten am Fenster sie hochfahren ließ. Doch es war nur ein Junge, der sich nach einem neugierigen Blick davonstahl. Die dunkle Kapuze hatte sie erschreckt. Das Bild des Mönchs verfolgte sie. Dass sie ihn nicht näher beschreiben konnte, quälte sie. Was konnte sie über den Täter sagen? Um die 1,75 m, höchstens 1,80 m groß. Ein Mann, mit höchster Wahrscheinlichkeit, erkennbar an der Art, sich zu bewegen; abgesehen von den nackten Füßen, die ihn flink vorangetragen hatten. Rechtshänder. Zwei Eigenschaften, die er mit unzähligen Männern gemeinsam hatte. Unter anderem mit Arthur.
    Norma speicherte die Datei und schenkte sich einen Tee ein. Während sie an der Tasse nippte, rief sie sich die Proportionen des Mönchs ins Gedächtnis. Der breite Rücken, den er ihr zugewandt hatte, als er sich an den Prominentenstand herandrängte. An diesem Detail ihrer Erinnerung störte etwas. Dem kompakten Umfang zum Trotz, war die Person mit einer dynamischen Energie geflüchtet, die man einem korpulenten Menschen nicht zutraute. Eine Fehleinschätzung? Schon möglich, wenn man sich Bruno Taschenmacher zum Beispiel nahm, der behäbig wie ein Bär wirken mochte, sich aber ebenso wie Meister Petz verblüffend geschmeidig bewegen konnte. Doch Bruno hatte – für jedermann sichtbar – nahe beim Opfer gestanden. Abgesehen davon war Bruno der Letzte, dem sie einen Mord zutraute.
    War der Täter ein sportlicher Dicker? Oder hatte er sich aufgepolstert, um die Augenzeugen zu verwirren? Norma dachte an die Schutzwesten der Polizei, die reichlich auftrugen. Soweit sie wusste, hatte man im Schuppen nichts anderes Verdächtiges gefunden als jenes Mönchskostüm. Er musste das Polster am Körper behalten haben. Ein Mann, der an einem warmen Tag in einer gepolsterten Weste oder mit einer Jacke bekleidet durch die Fußgängerzone ging, könnte den Passanten aufgefallen sein. Wie auch immer, sie war bestimmt nicht als Einzige auf diesen Gedanken gekommen, und vermutlich gingen die ehemaligen Kollegen dieser Spur bereits nach.
    Sie wollte sich wieder dem unschuldigen Ehemann zuwenden, als jemand an das Fenster klopfte und gleich darauf die Tür öffnete. Leopold nutzte die Gelegenheit und stolzierte dem Besucher voran. Norma stand auf, um ihren Gast zu begrüßen. Ludwig Wilhelm Tann, genannt Lutz und ihr Noch-Schwiegervater, erschien hin und wieder auf einen kurzen Besuch in ihrem Büro, wenn er nicht seine übliche Strecke durch den Rabengrund trabte, sondern dem Rheinufer folgte. An diesem Morgen trug er allerdings kein Lauftrikot.
    Ob sie endlich etwas von Arthur gehört habe, wollte er wissen und schaute Leopold hinterher, der seinen stämmigen Körper mit einem mühelosen Satz auf das Regal katapultierte, um dort seinen bevorzugten Ausguck einzunehmen.
    Sie habe mehrmals versucht, Arthur anzurufen, gab Norma zur Antwort. Leider vergeblich.
    Lutz strich sich durch die kurzen stahlgrauen Haare. »Die Polizei will ihn dringend wegen Moritz Fischer sprechen. Und sie sind nicht die Einzigen, die etwas von ihm wollen. Am Samstagvormittag tauchte sogar Diane Fischer im Laden auf und fragte nach Arthur.«
    Norma nickte. »Diane war deswegen auch bei mir am Stand. Kurz, bevor diese schreckliche Sache geschah.«
    »Sie wird doch nicht mit angesehen haben, wie ihr Mann …« Er brach mitten im Satz ab.
    »Nein, Diane war schon gegangen. Den Mord hat sie nicht beobachtet.«
    Er betrachtete sie forschend. »Du machst dir genauso Sorgen um Arthur, nicht wahr, Norma?«
    Ihr eigenes Lächeln erschien ihr unsicher. »Lass uns ein Stück gehen.«
    Norma schaltete das Telefon auf ihren mobilen Anschluss um. Leopold zeigte wenig Lust, seinen Wachposten

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