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Weinrache

Weinrache

Titel: Weinrache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Kronenberg
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auf seinem Grund stand ein steinerner Wachturm, wie Norma wusste. Man hatte ihn nach dem antiken Vorbild errichtet. Sie probierte den vierten Gang. Der Wagen quittierte den Versuch mit sofortigem Zurückfallen.
    »Wie heißt das Dorf?«
    Sundermann drehte ihr den Kopf zu. »Kein Dorf, nur zwei Häuser hinter dem Wald. Und zwei Bewohner.«
    Sie schaltete einen Gang zurück. »So einsam! Wer wohnt in dem zweiten Haus?«
    Eine ältere Dame, antwortete er, eine ehemalige Lehrerin. »Sie hat das Haus von den Eltern geerbt und ist nach der Pensionierung dort eingezogen.«
    Er kam ins Plaudern und erzählte, er wohne allein im Haus gegenüber und müsse keine Miete zahlen. Das Haus gehöre einem Verwandten, der es vor einiger Zeit in schlechtem Zustand gekauft habe. Als Gegenleistung würde er hin und wieder Ausbesserungen vornehmen. In den vergangenen Wochen seien die Fenster an der Reihe gewesen.
    Norma versuchte sich vorzustellen, ob ihr im Alter als einziger Nachbar ausgerechnet ein Kerl wie Sundermann behagen könnte. Allerdings fiel es ihr schwer, sich selbst als ältere Dame zu sehen. »Haben Sie Kontakt zu Ihrer Nachbarin?«
    Er lächelte. »Wir leisten uns Nachbarschaftshilfe, wie es sich für das Landleben gehört. Ich hacke ihr das Holz, und sie lädt mich zum Essen ein.«
    Wers glaubt, dachte Norma.
    Endlich war der Scheitelpunkt erklommen. 500 Meter über N.N. informierte ein Schild mit der Aufschrift Platte. Sie gehörte zu den höchsten Kuppen des Umlandes. Von der Taunusstraße aus war Norma oft hinaufgewandert. Der Neropark diente als grüne Verbindung zwischen Innenstadt und Stadtwald. Gelegentlich wurde Norma von Lutz begleitet, der gern im Freien war, sich aber lieber joggend bewegte, und deshalb hatte sie die Wanderungen meistens allein unternommen. Arthur war für steile Waldwege zu bequem, und ein Spaziergang im Kurpark langweilte ihn. Oben auf der Platte lagen, auf einer weitläufigen Lichtung, die Ruine des Jagdschlosses eines Nassauer Herzogs und in unmittelbarer Nachbarschaft ein Gasthof mit Biergarten. Das Jagdschloss war im Zweiten Weltkrieg bis auf die Außenmauern zerstört worden. Moritz Fischer hatte sich emsig an der Bürgerinitiative beteiligt, die das Schloss mit einem gläsernen Dach versehen und den weiteren Verfall aufgehalten hatte. Ob Diane seinen Einsatz fortsetzen würde?, fragte sich Norma.
    Zwei rasante Fahrer bugsierten ihre Wagen knapp am Fiesta vorbei, als die Straße in Fahrtrichtung einspurig wurde. Der Ford gewann an Geschwindigkeit. Es ging bergab. Norma schloss das Fenster. Nachdem sie eine Senke durchquert hatten, öffnete sich der Wald und gab den Blick auf eine Hochebene frei, in dessen Mittelpunkt Neuhof liegt, eine der Taunussteiner Ortschaften. Die tief stehende Sonne zeichnete scharfe Konturen in die Landschaft. Die Umgehungsstraße führt in einem Bogen um Gewerbebauten und Wohnsiedlungen herum, um am Horizont in ein Waldstück einzutauchen und dort den ursprünglichen Verlauf der Hühnerstraße wieder aufzunehmen. Satzbrocken fielen Norma ein, belanglose Worte, die sie unterwegs mit Arthur gewechselt hatte. Warum hatte er ihr die Reise verschwiegen? War Diane ihm peinlich? Es passte zu seiner Feigheit, sich nicht zu der neuen Liebe zu bekennen. Stattdessen hatte er seine Pläne nur vage angedeutet, indem er ihr die Reisetasche abschwatzen wollte.
    Sie überquerten eine Kreuzung. Auf dem Rückweg hatte Arthur an dieser Stelle nicht mehr im Wagen gesessen. Sie konnte sich gut erinnern, dass sie während der Suche mehrmals auf dem benachbarten Parkplatz gewendet hatte.
    Ein süßlicher Geruch zog durch die Lüftung in den Wagen. Sundermann machte sie auf ein Fabrikgebäude aufmerksam. Es lag abgeschieden auf der linken Straßenseite.
    »Wenn ich den Waffelduft schnuppere, bin ich in wenigen Minuten zu Hause.«
    Norma nahm den Fuß vom Gas, um einen drängelnden Autofahrer vorbei zu lassen. »Warum waren Sie in der besagten Nacht so spät noch unterwegs? Bei dem scheußlichen Wetter, wie Sie selbst sagen?«
    »Das Gewitter verzog sich so schnell, wie es kam. Kein Grund, sich in der Wohnung zu verkriechen. Es geht Sie nichts an, aber um Ihre Neugierde zu befriedigen: Manchmal fällt mir die Decke auf den Kopf. Dann fahre ich durch die Gegend.«
    »Was hat Sie aus dem Haus getrieben?«
    Zu ihrer Verblüffung lachte er. »Sie wollen alles ganz genau wissen.«
    »Fragen gehören zu meinem Job. Also?«
    Er antwortete mit einer Gegenfrage. »Dort vorn, hinter dem

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