Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Weinrache

Weinrache

Titel: Weinrache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Kronenberg
Vom Netzwerk:
Römerturm: Ist das nicht der Platz, an dem Sie sich festgefahren haben?«
    Hinter den Bäumen kam der eckige Turm in Sicht, der ihr in der nächtlichen Dunkelheit entgangen war. Ringsum das Mauerwerk zog sich eine hölzerne Balustrade. Norma lenkte den Wagen an den Straßenrand und schaltete vorsichtshalber die Warnblinkanlage ein, damit das dunkel lackierte Auto nicht übersehen wurde. Die Strecke verleitete zum schnellen Fahren. Sie erkannte die Einbuchtung wieder, an der Sundermann ihr geholfen hatte.
    »Werden Sie die Stelle wiederfinden, an der Ihr Mann ausgestiegen ist?«, fragte er.
    »Bei dieser Fahrt geht es nicht um mein Gedächtnis.« Norma legte eine Prise Schärfe in die Stimme: »Sie sollen sich erinnern!«
    Er wandte sich ihr zu. Die rechte Hand war wie festgenagelt auf der Jeans liegen geblieben. Der linke Arm ruhte abgespreizt auf der Rückenlehne. Unter dem blauen T-Shirt zeichnete sich die Muskulatur ab. »Da war nichts Ungewöhnliches, akzeptieren Sie das endlich. Warum konzentrieren Sie Ihre Nachforschungen ausgerechnet auf mich?«
    »Weil Sie mein einziger Anhaltspunkt sind.«
    »Unsinn! Weil Sie sich mit Ihrem Aktionismus über die eigene Schuld hinwegsetzen wollen! Sie haben Ihren Mann im Stich gelassen. Gestehen Sie sich das ein!«
    Sundermann war ihr so nah, dass sie seinen Atem spürte. Ihre Nackenhaare sträubten sich wie bei einer in die Enge getriebenen Katze.
     

16
    Vom hässlichen Entlein zum stolzen Schwan. Der abgenutzte Vergleich kam ihm in den Sinn, als er die gemauerten Stufen hinaufstieg, vorbei an Malven und Buchsbaumkugeln, und dabei die ›Villa Stella‹ in Augenschein nahm, die sich hoch über der Straße erhob: in reinem Weiß und mit der klaren Linienführung, die die Bauhausarchitektur kennzeichnet. Neben späteren Anbauten wie einer Garage und einem Wintergarten war auch das nachträglich aufgestülpte Satteldach entfernt und durch ein Flachdach ersetzt worden, das wie eine Scheibe über den Korpus hinausragte, einem schlichten Kubus, als dessen auffälligstes Merkmal sich die in die Ecken geschnittenen Fensteröffnungen erwiesen. Der Eingang war in den Kubus hineingezogen. ›Marcel B., Restaurant‹ informierte das Schild über der Tür.
    Lutz hätte sich gern mit dem Blick des Kenners gebrüstet, aber auch er hatte in dem Haus zuvor eher einen Schandfleck gesehen, als ein Baudenkmal vermutet. Wenigstens stand er mit diesem Irrtum nicht allein. Sogar den Denkmalschützern war dieses Kleinod entgangen. Die Stadt hatte allen Grund, Moritz Fischer dankbar zu sein. Auch wenn es dem einen oder anderen Verantwortlichen lieber sein mochte, dieses peinliche Versäumnis wäre im Sande verlaufen. Fischer wäre nicht Fischer gewesen, hätte er die Entdeckung nicht bis zum Letzten ausgereizt, um Profit daraus zu schlagen. Mit Bescheidenheit ließ sich schlecht leben; jedenfalls nicht in dem Lebensstil, den die Fischers pflegten. Aber die ›Villa Stella‹ musste die Kosten für Kauf und Umbauten erst einmal einbringen.
    Die Wiederherstellung hatte sich über Jahre hingezogen, und Fischers Tod führte zu neuen Verzögerungen. Neben dem Eingang hing ein Anschlag. Der Eröffnungstermin sei wegen eines Trauerfalls auf unbestimmte Zeit verschoben. Lutz klopfte an die Tür und wartete. Als sich auch auf ein zweites Klopfen nichts tat, folgte er dem Fußweg, der um das Haus herum auf die Terrasse führte. Dort stand Diane Fischer und gab zwei Männern in grünen Overalls Anweisungen, wie ein Beet zu bepflanzen sei. Sie trug eine weit geschnittene Leinenhose und eine ärmellose Bluse; beide Stoffe so tiefschwarz wie Dianes wilde Locken und die Iris ihrer Augen. Lutz war überzeugt, die teuersten Boutiquen der Rue, wie die Wiesbadener die Wilhelmstraße gern nannten, wären gerade gut genug für die Wahl ihrer Trauerkleidung. Das scheue Lächeln wirkte aufgesetzt, doch die gespielte Zurückhaltung kümmerte ihn nicht. Ihn beschäftigte die Tatsache, der Geliebten seines Sohnes gegenüberzustehen. Zumal Diane in ihm bisher alles andere als schwiegerväterliche Gefühle geweckt hatte. Dass sie und Arthur ein heimliches Paar waren, hatte ihm der dicke Polizist vor einer halben Stunde in schroffen Worten mitgeteilt.
    Sie reichte ihm die kleine sonnengebräunte Hand. »Was kann ich für Sie tun, Herr Tann?«
    Mir verraten, wo Arthur ist! Aber er wollte nicht mit der Tür ins Haus fallen.
    Er räusperte sich, bevor er sein Beileid aussprach. »Ihr verstorbener Mann hat sich sehr für Kunst

Weitere Kostenlose Bücher