Weinrache
Geliebten, fügte sie zögerlich hinzu.
»Das kommt in den besten Ehen vor«, bemerkte Norma trocken. »Kennst du den Namen des Mannes?«
»Norma, du weißt doch, ich darf darüber nicht …«
»Nicht darüber reden, klar. Aber du musst mich nicht schonen, Irene. Uns beiden ist bekannt, dass der Mann Arthur Tann heißt.«
»Du weißt es schon?«
Norma lachte leise. »Offenbar haben Luigi und Dirk vergessen zu erwähnen, dass diese Information von mir stammt.«
Irene seufzte mitfühlend. »Norma, ich kann nachfühlen, wie unangenehm die Situation für dich sein muss. Obwohl du dich längst von deinem Mann getrennt hast. Das tut lange Zeit weh. Als mein Ex mich so böse betrogen hat …«
Das lag Jahre zurück, aber Irene litt wie am ersten Tag unter der Trennung.
»Du weißt, wie du mir helfen kannst, Irene. Besorge mir die Informationen über Sundermann.«
»Ist er wenigstens ein Kerl, für den sich ein Risiko lohnt?«
»Was denkst du! Ich frage aus rein beruflichem Interesse. Und du riskierst gar nichts. Deine Hilfe bleibt unter uns, versprochen.«
»Also gut, ich kümmere mich darum. Aber nicht vor morgen Mittag.«
Sie habe soeben die Aufgabe erhalten, Licht in die Eigentumsverhältnisse des Architektenpaares zu bringen, führte Irene an. Wer erbt was, falls es vor lauter Schulden etwas zu erben gab, und so weiter. Das sei knifflig und zeitraubend.
Ein Blick in die zentrale Datenbank wäre allemal drin. Doch Norma fügte und bedankte sich. Irene war eine verlässliche Quelle, solange man sie nicht gängelte. Sonst konnte ihre Hilfsbereitschaft schlagartig versiegen.
Zur Ablenkung blätterte Norma im Yogabuch und beschäftigte sich eine Viertelstunde mit dem Thema ›Gesundheit durch Atmen‹, bevor sie sich lustlos dem Angebot exklusiver Bratpfannen zuwandte. Unglaublich, welche Summen die Hobbyköche dafür zu zahlen bereit waren. Sie hatte die Bratpfannen kaum in der Liste abgehakt, als jemand an das Fenster klopfte. Sundermann spähte durch die Scheibe. Norma schloss die Datei, bevor sie ihn mit einem Winken hereinbat.
Er hielt auf der Schwelle inne und schaute dem Kater nach, der seine Siesta beendet hatte und ins Freie trottete. Dann deutete er auf das Türschild. »Private Ermittlungen? Davon steht nichts auf Ihrer Visitenkarte.«
Norma trat um den Schreibtisch herum. »Die Geschäftskarten muss ich nachdrucken lassen. Stört Sie mein Beruf?«
Er ließ die Klinke los und kratzte sich am Kinn. »Ihr Job ist nicht alltäglich, das müssen Sie zugeben.«
»Vor allem nicht für eine ehemalige Hauptkommissarin.«
Er pfiff durch die Zähne. »Auch das noch!«
Ablehnende Reaktionen war sie gewöhnt und ärgerte sich jedes Mal von Neuem darüber. »Wenn man die Polizei braucht, kann sie nicht schnell genug im Einsatz sein. Aber ansonsten bitte keine Berührungspunkte.«
Er lächelte, mit durchaus hintergründigem Charme, und kam auf sie zu. »Für eine frühere Polizistin reagieren Sie ganz schön empfindlich! Wieso sind Sie nicht mehr dabei? Was haben Sie angestellt?«
Die dunkelbraunen Augen wirkten im Schatten schwärzlich. Auf dem Kinn, an der linken Seite, zeichnete sich eine 1 cm lange Narbe ab. Ein zackiger Haken. Wie von einem Messerschnitt, kam es Norma in den Sinn.
Eine Armlänge vor ihr blieb Sundermann stehen. »Kein Beamter verzichtet freiwillig auf die Pension.«
Was sollte diese Provokation? Wollte er ihre Nervenstärke testen?
Sein Lächeln wurde breiter. Im Grunde ein ansprechendes Gesicht, dachte sie, wenn es sich nur eine Spur offener zeigen könnte. Es lag ein Misstrauen darin, und in den ausgeprägten Zügen schien sich ein Erfahrungsschatz abzuzeichnen, der nicht von positiven Erlebnissen überwogen wurde. Konstantin Sundermann wirkte wie ein Mann, der es im Leben nicht leicht gehabt hatte. Und wie er so vor ihr stand, mit dieser listigen Miene, bedauerte sie, Irene nicht stärker zu der Auskunft gedrängt zu haben. Sie straffte die Schultern und lehnte sich ein wenig vor.
Er wandte sich ab und deutete auf den Fußboden und die im selben Braunton gefliesten Podeste, auf denen sich Aktenordner und Zeitschriften stapelten. Dazwischen stand der Karton mit Brunos Bauhaus-Leuchten.
»Apartes Fliesendesign! Die frühen 70er, vermute ich.«
Abschätzig ließ er den Blick über die weißen Wände schweifen. Deren karge Nacktheit wurde von dem Kalender einer Biebricher Apotheke mit grafischen Motiven und einem Regal mit überquellendem Inhalt unterbrochen. Dazwischen zeichnete
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