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Weinrache

Weinrache

Titel: Weinrache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Kronenberg
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farbiger Buchstaben, ausgeschnitten aus Zeitungen und Illustrierten, bedeckte das Papier. Tiri schaute ihr über die Schulter und las den Text halblaut mit.
    ›200.000 euro in kleinen scheinen, wenn sie ihrn Mann lebend widersehen wollen. kein polizei. sonst anzeige beim finanzamt wegen schwarzgeld in türkei‹.
    Darunter folgten Anweisungen zur Geldübergabe. Norma sollte am Dienstag um 18 Uhr das Römertor überschreiten und das Geld in einem Papierkorb ablegen.
    »Bringt man das Schwarzgeld heutzutage nicht mehr in die Schweiz?«, fragte Tiri verwundert.
    Wo auch immer, Norma wusste nichts davon, traute Arthur ein illegales Konto aber zu. Seit Kolumbien wusste sie, dass er physischem Druck nicht in geringsten Dosen gewachsen war. Es kostete nicht viel, ihn zum Reden zu bringen. Falls er sich wahrhaftig in der Gewalt eines Entführers befand.
    Tiri pfiff leise durch die Zähne. »200.000 bis übermorgen! Wie willst du das schaffen?«
    Norma sank auf den Stuhl. Sie kannte nicht den genauen derzeitigen Stand des Aktiendepots, aber es müsste reichen. Sie würde das Konto auflösen und sich die Summe auszahlen lassen. Norma besaß eine Vollmacht, die sie bisher nicht in Anspruch genommen hatte. Nach ihrer Auffassung stand das Aktienvermögen Arthur allein zu. Das Startkapital stammte aus einer vorgezogenen Schenkung von Lutz, und Arthur hatte es durch geschickte Transaktionen zum Wachsen gebracht. Nein, das Geld war nicht das Problem. Dagegen erschien es ihr als hilfloser Aktionismus, Tiri zu fragen, ob er in die Erpressung verwickelt sei.
    Er blickte ihr offen ins Gesicht. »Hältst du mich für so abgebrüht, dass ich bei dir hereinschneie und für dich koche und mit dir esse, während dein Mann in seinem Versteck schmort und mein Helfershelfer die Lösegeldforderung einwirft? Ich habe deinen Mann nicht entführt, Norma. Mir ist in meinem Leben ein Fehler passiert, für den ich büßen musste. Aber ich bin kein mieser Verbrecher.«
    Ein gewagter Euphemismus, den missglückten Versuch, einen Mann zu erschlagen, als einen Fehler zu bezeichnen. Jedoch stand es ihr nicht zu, über Tiri zu richten. Entscheidend war, ob sie ihm in dieser Sache glauben wollte.
    »Arthur ist seit 10 Tagen fort. Und heute tauchst du überraschend hier auf, und gleichzeitig kommt dieser Brief? Alles nur ein merkwürdiger Zufall?«
    Er setzte sich ihr gegenüber und beteuerte, nichts damit zu tun zu haben. »Der Brief kann ein hinterhältiger Trick sein. Der Versuch eines Trittbrettfahrers.«
    Daran dachte auch Norma. Arthurs Verschwinden war von der regionalen Presse gemeldet worden. Sein Bild wurde mehrmals abgedruckt. Als Erstes würde sie ein Lebenszeichen verlangen.
    »200.000 sind ein Haufen Geld«, fuhr Tiri fort. »Gemessen am Risiko einer Entführung allerdings ein Witz. Und dieser alberne Zettel!«
    Er wollte den Brief aufnehmen, aber Norma hielt ihn zurück. »Oder du willst deine Fingerabdrücke unbedingt auf das Papier bringen? Mir sieht das nicht nach Kinderkram aus. Hast du die Symmetrie bemerkt?«
    Die Worte waren in ordentliche Reihen geklebt, die Abstände zu den Rändern gleichmäßig eingehalten. Die Schreibfehler wirkten wie absichtlich eingearbeitet.
    »Ein Erpresser mit Geschmack! Der hat sogar die Farben ausgesucht«, sagte Tiri mit einem verstohlenen Lächeln, wurde aber sofort wieder ernst. »Was wirst du tun? Die Polizei einschalten?«
    Sie konnte es nicht lassen: »Brächte dich das in Schwierigkeiten?«
    »Lass endlich diese Verdächtigungen! Denk besser an deinen Mann. Falls es das türkische Konto tatsächlich gibt, kostet ihn das einen Haufen Geld, wenn er nicht sogar wegen Steuerhinterziehung in den Knast kommt. Wenn du die Polizei raushältst, helfe ich dir.«
    Sie solle nicht glauben, er habe etwas zu verbergen. Aber aus freien Stücken suche er nun einmal nicht den Kontakt zur Polizei. Er könne das Römertor beobachten, schlug er vor.
    Das Angebot überraschte sie und weckte zugleich ihr Misstrauen. »Warum willst du das für mich tun?«
    Weil jemand aus ihrer Not Kapital schlagen wolle, ereiferte er sich. Das sei niederträchtig.
    »Du weißt, wo du mich finden kannst, wenn du Hilfe brauchst!«
    Er müsse jetzt los.
    Nachdem er gegangen war, blieb sie grübelnd am Tisch sitzen. Wie von einem Profi formuliert, so wirkte der Brief sicherlich nicht. Einmal stand sie kurz davor, Wolfert anzurufen. Oder besser Milano? Einerlei. Wenn sie einen ins Vertrauen zog, erfuhr es gleich darauf der andere. Damit würde

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