Weinstrassenmarathon
Wurfspieà in der Brust gefunden wurde. Röder hatte den Ort seitdem gemieden, obwohl die Römerkelter ein Wahrzeichen von Ungstein geworden war. Eine schöne Skulptur, ein weintretender Römer aus Stahl, und eine Säule aus dem hiesigen Sandstein schmückten seit Kurzem die östliche Ortsausfahrt nach Erpolzheim.
»Ja, das ist der WeinstraÃenmarathon«, resümierte Hellinger und blickte sich in seinem Heimatdorf um. Ständig wurde ihm zugerufen, und er hatte Dutzende von Händen abzuklatschen. Katrin und den kleinen Max konnte Röder dagegen nirgends entdecken. Er biss sich auf die Zunge, aber es war schon drauÃen: »Wo sind denn Katrin und der Kleine?«
Hellinger antwortete nicht. Bald hatten sie den Ortsausgang erreicht, und er schaute sich das letzte Mal suchend um.
Der nächste Anstieg nach Herxheim war noch heftiger als der nach Kallstadt, aber der laufgeübte Winzer jagte Röder weiter. Mitten auf dem Gipfel in Herxheim hatten irgendwelche sadistischen SpaÃvögel einen hölzernen Torbogen aufgestellt. Eine Glocke hing herab, und die Läufer wurden unter lautem Gejohle durch das Tor genötigt, um zu bimmeln. Jeder Ton, den die nach dem Berg ausgelaugten Athleten der Glocke entringen konnten, wurde von den Zuschauern beklatscht. Röder freute sich, dass er noch die Arme heben konnte, trotzdem verfehlte er die Glocke, die nur einen schwachen Ton von sich gab. Hellinger dagegen gab der Glocke einen Schlag, dass das Holzgestell nur so wackelte.
Die steilen Anstiege der zweiten Hälfte waren vorbei, bis auf einen kleinen bei Kleinkarlbach und den finalen kurz vor Schluss. »Jetzt müssen wir eigentlich nur noch von Asselheim nach Bockenheim rauf. Ich sage dir, der Berg gibt dir den Rest. Ausgerechnet auf den letzten drei Kilometern gehtâs noch mal richtig ab. Aber na ja, wir haben noch neun Kilometer Zeit, um uns auszuruhen â¦Â« Hellinger wollte noch weiterreden, da fiel ihm Röder rüde ins Wort.
»Halt endlich die Klappe. Siehst du denn nicht, dass es mir reicht? Du kannst gerne alleine weiterlaufen, mir stinktâs!«
»Hey, ich wollte dich doch nur motivieren. Was du spürst, ist der Mann mit dem Hammer, der Marathon-Man. Jetzt bloà nicht aufgeben. Gleich hast duâs überwunden.«
»Du hastâs auch gleich überwunden, wenn du noch weiter babbelst. Dann drehe ich dir an Ort und Stelle den Hals um. Auf der Titelseite der Rheinpfalz steht dann morgen ganz groÃ: WeinstraÃenmord!«
Hellinger grinste, aber er schwieg wohlweislich.
In Dackenheim wartete schlieÃlich der Weinschwamm auf sie. Die Attraktion des Marathons schlechthin. Wenn über den WeinstraÃenmarathon berichtet wurde, dann auch immer über diese besondere Art der Pfälzer Erfrischung. Ein groÃer Naturschwamm lag in einem Bottich, der randvoll mit Riesling gefüllt war. Hellinger machte es vor, und Röder lieà sich das köstliche Nass ebenfalls in den Mund tropfen. Hier, bei Kilometer 32, beginnt der eigentliche Marathon, sagen die Profis. Die letzten zehn Kilometer haben es in sich, und es war kein Wunder, dass viele Läufer hier ihre selbstgebrauten Spezialverpflegungen deponierten und sich lechzend einverleibten.
Plötzlich wurden sie zur Seite gedrängt, ein Raunen ging durch die Läuferschaft, als sich von hinten mit Blaulicht und Sirene ein Rettungswagen seinen Weg durch die Menge bahnte und Richtung Golfplatz fuhr.
»Kreislaufkollaps. Das kommt vor, wenn man sich zu viel zumutet.«
»Ich gehe gar nicht auf die Piste, wenn ich mich nicht richtig wohl fühle.« Sofort hatte sich ein Gespräch zwischen den Läufern um sie herum entwickelt.
»Sieht man immer ein-, zweimal auf so einem Marathon. Meistens nur ein bisschen Schwindel oder ein verknackster FuÃ.«
Wieder mussten sie zur Seite ausweichen, als sich ein Motorrad von hinten lautstark dröhnend näherte. Der Notarzt. Sie liefen noch ein paar hundert Meter, am Golfclub vorbei, bis zu der Einmündung in die WeinstraÃe. Eine Traube von Läufern stand dort um die Sanitäter und den Notarzt herum, die geübt die Gestalt am Boden verarzteten.
»Komm, wir laufen weiter, der Typ ist gut versorgt«, trieb Hellinger Röder voran.
Röder sah gerade noch, wie die Rettungskräfte dem kollabierten Läufer einen Intubator durch den Mund einführten. In diesem Moment konnte er das Gesicht deutlich
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