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Weinzirl 02 - Funkensonntag

Weinzirl 02 - Funkensonntag

Titel: Weinzirl 02 - Funkensonntag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
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PK lief irgendwie an ihr vorbei, dabei redete sie in einer
Tour, fand wunderbare Antworten auf weniger wunderbare Fragen. Nach dem dritten
Aperitif war das Leben leicht und wie ein Spiel – und Funkenhexen und
Funkentote weit weg. Nach dem Essen nahm Patti Jo unauffällig zur Seite.
    »Ich fahr dein Auto zum Bergstätter Hof rauf. Keine Widerrede!«
    Ihre Chefin wollte gar nicht widersprechen. Sie stieg mit den
Journalisten in den Bus, erzählte Geschichten und gab Kostproben des Allgäuer
Dialekts. Die Herzen flogen ihr zu.
    Im Bergstätter Hof wurde die Bar okkupiert. Und wer saß da zu Jos
großer Überraschung? Jos Freundin Andrea, eine alte Schul- und Studienfreundin,
die seit Ewigkeiten in Berlin lebte und als Soziologin und Psychotherapeutin
arbeitete. Andrea saß mit lässig überschlagenen Beinen an der Bar und passte
überhaupt nicht in das Allgäuer Ambiente. Sie trug eine knallenge schwarze
Lederhose und dazu ein khakifarbenes kurzes Lederjäckchen. Wenn andere Frauen
so etwas trugen, sahen sie billig aus. Andrea nicht. Sie hatte Klasse. Sie war
fast ein Meter achtzig groß, sehr schlank und das Schlimmste für Jo: Andrea aß
nicht, sie fraß. Fettes, Süßes, Alkohol – sie nahm nie zu. Ihre wilden
Naturlocken waren momentan schwarz, aber ihre Haarfarbe änderte Andrea
schneller, als ein Gewitter aufzog. Und sie trug immer ziemlich schräge
Brillen. Das hatte sie eingeführt, lange bevor Anastasia mit Brillenfimmel in
der Musikbranche Furore gemacht hatte. Bei anderen Frauen hätte das exaltiert
gewirkt, bei Andrea unterstrich es nur ihre klugen und wachen Augen.
    »Was machst du denn hier?« Jo hatte für den Moment völlig ihre
Journalisten vergessen.
    »Ich bin hier auf ‘nem Workshop, und da höre ich, dass du hier auch
zugange bist. Eine Überraschung, wa?«, berlinerte Andrea. Dann wandte sie sich
der Gruppe zu.
    »Ich hoffe sehr, ich störe nicht. Aber diese Dame«, sie deutete auf
Jo, »kenne ich seit der fünften Klasse. Sie war so ein grauenhaftes Pferdemädchen,
und im Winter fuhr sie Ski. Beides Dinge, die ich gehasst habe. Aber wir sind
trotzdem Freundinnen geworden. Und ich sagen Ihnen eins: Eine bessere und
leidenschaftlichere Kennerin des Allgäus werden Sie nicht finden!«
    Andrea brachte das so charmant rüber, dass alle zustimmend nickten
und sich bemüßigt fühlten, Jo Komplimente zu machen.
    Jo wurde rot und murmelte: »Du solltest im Marketing arbeiten.«
    Barhocker wurden gerückt, und Jo hatte Zeit, Andreas Blick zu
folgen. Der ging über die Gruppe und blieb an Jens hängen. Sie sah ihn an und
dann Jo und runzelte unmerklich die Stirn. Auch die Praktikantin hatte
aufgehört, das Mäuschen zu spielen und schien Jens im Visier zu haben. Sie
erklärte gerade, dass sie immer so Pech bei Männern habe und nun wirklich einen
suche, der was darstelle und Geld habe. Unter einem Ressortleiter mache sie es
nicht mehr.
    Andrea schickte Jo noch einen warnenden Blick hinüber. Der Abend
entglitt. Es war wie im Schullandheim, nur dass die Teilnehmer dieses Ausflugs
etwas älter waren und auf etwas anderem Niveau spielten. Aber es war wie
Flaschendrehen mit anderen Mitteln. Schließlich ging die Praktikantin zu Bett,
die Schupfnudel schlief im Sitzen ein und begann zu schnarchen. Als Alexandra
und Andrea sich auch verabschiedeten, war es auf einmal so still und zugleich
so hell in dem noch immer komplett beleuchteten Speisesaal – unpassend hell für
diese Stille. Es war, als wäre der dritte Vorhang gefallen, der Schlussapplaus
endlich abgeflaut. Jo und Jens waren allein in ihrem Theater, mit der Stille,
dem Licht und dem letzten Vorhang.
    »Jetzt hab ich deine Verehrerin verjagt«, sagte Jo wenig
überzeugend.
    Jens lächelte, und viele nette Fältchen umspielten seine blauen
Augen. »Ja, und das war purer Zufall, gell?«
    Jo schwieg.
    Jens erhob sich von seinem Stuhl und sagte nur knapp: »Zimmer
vierzehn«. Langsam ging er ab, durch das noch immer gleißende Licht dieser
Bühne.
    Jo legte einen Zettel hinter die Bar, der ungefähr bescheinigte, wie
viele Brände sie gehabt hatten und wie viel Bier. Sie löschte das Licht und mit
der Dunkelheit kamen die Dämonen zurück. Als sie vor der Vierzehn stand, war
die Tür nur angelehnt.
    »Ich hatte Angst, du würdest nicht kommen«, sagte Jens und nahm sie
in den Arm.
    »Ich habe zu viel getrunken«, sagte Jo, »ich habe …«
    Jo stand vor ihm und fühlte auf einmal gar nichts mehr. Jens küsste
sie vorsichtig auf die Stirn und sah sie

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