Weinzirl 02 - Funkensonntag
Gnädigste!« Die Stimme klang wienerisch,
schleimig, anbiedernd.
»Ich wüsste nicht, was Sie das angeht, und außerdem weiß ich es
nicht.«Der Blick aufs Display besagte, dass die Nummer aus München kam. Aber
auch so hätte Jo sofort gewusst, dass es sich um die BILD -München handeln musste.
Jetzt schlug der Anrufer eine Verschwörerstimme an. »Aber Teuerste,
wir unter Kollegen müssen doch zusammenhalten. Und das sind wir doch, quasi.«
»Aha, und als Quasi-Kollegin empfehle ich Ihnen, sich an die Polizei
zu wenden!«
Jo knallte den Hörer auf die Konsole. Ekelhafter Widerling. Und
einmal mehr an diesem Morgen war die kaum unterdrückte Übelkeit wieder da. Jos
Puls begann zu rasen, sie verkrampfte den Nacken und wusste, dass das nur der
Anfang war.
Sie griff zum Hörer und rief Gerhard auf seinem privaten Handy an.
Gottlob ging er ausnahmsweise mal dran.
»Hi Gerhard, nur ganz kurz. Ich nehme stark an, ihr wisst, wer der
Tote ist. Und sollte er Angehörige haben, solltest du diese dringend aus der
Schusslinie bringen. Die Witwenschüttler sind bereits unterwegs.«
»Du klingst nicht gut, Mädel?« Gerhards Feststellung war eine Frage.
Jo gab ihm eine Zusammenfassung ihres Morgens und erzählte vom
Telefonat mit der BILD .
»Das war zu erwarten. Hier rennen uns die Medien auch die Bude ein.
Wir haben schon eine Sonderleitung geschaltet. Die Abwimmlungs-Line, sagt mein
Cheffe.«
»Gebt ihr denn keine PK ?«,
wollte Jo wissen.
»Doch, morgen, wenn wir das Ergebnis der Obduktion haben. Aber bis
dahin ist der Name tabu, wobei ich mir da keine Illusionen mache. Die
Explosiv-Leute sind im Anrollen, und die kriegen den Namen. Übrigens, die
Angehörigen sind schon weg. Sie waren genau genommen und Gott sei Dank auf
Reisen. Da bleiben sie erst mal. Aber trotzdem danke. Servus, ich muss – und
halt die Ohren steif. Des wert scho.«
Ach Gerhard! Jo war sich nicht sicher, ob sein Optimismus gespielt
war. Aber eigentlich wusste sie, dass Gerhard nie spielte. Er ruhte so sehr in
sich, dass er nie mit dem Schicksal hadern musste. Und so war es auch immer
gewesen, wenn Gerhard die Finger im Spiel gehabt hatte. Wenn Gerhard ihr ein
Autoradio eingebaut hatte, war zwar plötzlich das Schiebedach aufgegangen, aber
Gerhard hatte das nach zwei Stunden »trial and error« und drei Bieren beheben
können. Wenn sie mit Gerhard im Auto gesessen hatte, die Tankanzeige bedrohlich
geblinkt hatte, und das Auto gerade begonnen hatte, so ganz ohne Futter zu
stottern, war genau in dem Moment eine Tankstelle hinter der Kurve aufgetaucht.
Der Wagen war just neben der Tanksäule abgestorben. Ach, Gerhard, dein Glück
müsste man haben, dachte Jo. Aber war das Glück oder die Magie des Optimismus?
Jo starrte auf ein Plakat an der Wand, das Kinder im
Bergbauernmuseum zeigte, wie sie an der Klangstation spielten, braune Schumpa
im Hintergrund. Der Untertitel lautete: »Harmonisches Miteinander«. Was für ein
Hohn, dachte Jo. Da half auch Gerhards Think-Pink-Haltung nicht mehr.
Kurz vor zwölf ging die Tür auf. Marcel Maurer, wie immer schwarz
gekleidet und in Fragezeichen-Haltung, stand im Büro.
»Mensch …« Mehr sagte er nicht.
Jo stand auf und umarmte ihn, lange standen sie so da.
»Danke, dass du Patti da raushalten konntest«, murmelte Marcel in
Jos Schulter. Endlich mal kein weiterer Tropfen im Meer der Floskeln und
Phrasen.
Jo schob ihn vorsichtig weg. »Danke, du weißt, was mir das bedeutet.
Gerade heute.« Sie erzählte vom Bürgermeister. »Es tut gut, dass du da bist.«
Marcel nickte.
»Ich weiß, dass Patti momentan etwas angespannt ist«, sagte Jo. Und
sie dachte bei sich: Ich weiß auch, dass sie schwanger ist, obwohl ihr beide
das vor mir geheim halten wollt. Sie hätte Marcel gern versichert, dass sie
sich darüber freute, aber dafür war jetzt nicht der Zeitpunkt.
Marcel hatte schwarze Schatten unter den Augen und zupfte nervös an
seinen Fingern.
»Ich komme gerade aus Eckarts, da ist die Hölle los.
Übertragungswagen von SAT und RTL stehen da oben. Diese Aasgeier sind
beim Klinkenputzen und gehen schon von Haus zu Haus.«
Jo lachte bitter. »Was hast du erwartet? Ich hatte heute auch schon
das Vergnügen mit der BILD .
Bewährtes Schema: Überraschungsangriff, dann kollegiales Gesülze, dann Drohung
– allerdings habe ich vorher aufgelegt.«
»Das machen die immer so. Das war mit der BSE -Krise genauso. Bei uns haben sie auch angerufen, auf der
Kollegenschiene …«
»Und?«, fragte Jo.
»Wir
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