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Weinzirl 02 - Funkensonntag

Weinzirl 02 - Funkensonntag

Titel: Weinzirl 02 - Funkensonntag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
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haben sie abblitzen lassen, aber du weißt, wie das läuft. Die
telefonieren systematisch das Telefonbuch durch, und jetzt ist der Name eben
doch raus«, sagte Marcel resigniert.
    »Was?«
    »Ja, ich habe das auch nur aus dem Rössle. Diese Typen hätten einen
von den Feuerwehrleuten gestern Abend aufgegriffen und dem so zugesetzt und
schließlich genug Kohle versprochen, dass er wohl gesagt haben muss, er meinte,
er könnte sich vorstellen, dass es sich um X handle.«
    »Und du weißt den Namen auch?« Jo schaute ihn erstaunt an.
    »Ja, wenn die Info denn stimmt. Aber wir machen das nicht mit. Wir
warten die offizielle PK ab. Das
ist so widerlich, diese Hexenjagd, so unfair!«
    »Als wenn das Leben je fair gewesen wäre.«
    Als Marcel gegangen war, war das Büro leer und kalt. Die Anrufe nahm
der AB entgegen und erläuterte,
von netter Volksmusik untermalt, dass die Büro-Feen nach der Mittagspause erst
um fünfzehn Uhr wieder ganz für den Gast da seien. Der Blick in den Spiegel
erzählte Jo weniger von einer Fee, als von einer knorzigen, faltigen Hexe. Ließ
sie die Funkenhexe denn nie los? Sie hängte das Schild »Heute Nachmittag
geschlossen« raus und fuhr nach Hause. Sie musste sich unbedingt mal
zivilisieren und in eine nette, alerte und enthusiastische Tourismusdirektorin
verwandeln.
    Der Wind hatte zugenommen. Riesige Bäume neigten sich extrem tief,
so als würden sie einen Diener machen vor einer gewaltigen Macht. Es war etwas
Gewaltiges, Bedrohliches, ein Föhnsturm, wie Jo noch nie einen erlebt hatte.
Das war nicht mehr dieser warme Fallwind, der die Berge so neckisch näher
rückte, der mit scharfen Konturen das Bild vom weißblauen Bayern zeichnete. Das
waren nicht diese fasrigen Zirruswolken, gerade so als hätte ein
Aquarell-Himmelsmaler weiße Farben auf dem Blau aufgetragen und verwischt.
Solch ein Föhntag war das nicht – das hier war ein Inferno. RSA meldete gesperrte Straßen wegen
umgestürzter Bäume und im Fünfzehn-Minuten-Rhythmus kamen neue Hiobsbotschaften
dazu: ein abgedecktes Dach bei einem Bauernhof in Seifen, eine Seilbahn, die
eine Stunde lang am Seil ausgeschwungen hatte.
    Die Tiger waren zu Hause, auch sie hassten Wind. Mümmel – Diva und
Sensibelchen zugleich – hatte noch kullerigere Kulleraugen als sonst, Moebius
ein ganz spitzes Gesicht. Sie waren in Alarmbereitschaft. Einstein hatte es
vorgezogen, unter der Couch zu kauern. In einer angespannten Entenhaltung, die
bei Katzen nichts Gutes verhieß.
    Dank Augenfaltenpads und einer kalten Dusche – der Wasserboiler
streikte wie so oft – schaffte es Jo, wieder menschlich zu wirken. Ihre Augen
waren größer als sonst, sie sah jung aus und sehr verletzlich. Als sie wieder
in ihren Jeep stieg, schlug ihr die Wattewand erneut entgegen. Je mehr Luft sie
einsog, desto weniger konnte sie atmen. Sie spürte diese extreme Spannung in
der Atmosphäre körperlich, als ob das Blut zu kochen beginne. Die Fahrt nach
Bühl war wie eine Fahrt auf einem bockenden Rodeo-Pferd. Der See war
aufgepeitscht, Gischt sprühte über den Steg. Eigentlich war die Stimmung spektakulär
und von einer merkwürdigen Schönheit, einer gefährlichen Schönheit!
    Jo parkte neben dem Kiosk. Das Strandcafé war eigentlich mehr ein
Sommer-Biergarten-Juwel, aber dankenswerterweise hatte das junge
»Strandcafé-Triumvirat« für die PK aufgemacht. Eine Böe schlug Jo die Autotür aus der Hand, ein Gartenzelt flog
vorbei. Wie ein riesiger Drache stieg es himmelwärts.
    Patti und die Truppe waren schon da – oder besser ein Teil der
Truppe. Das TV -Team war abgereist,
der Investigator auch. Die anderen hatten einen leckeren Aperitif aus
Schilchersekt in der Hand. Die kulinarische Trickkiste der jungen Leute hatte
mal wieder nicht versagt. Überhaupt vermittelte die Truppe, dass ihr der
Funkenmord ziemlich egal war. Jo folgte zerstreut den Gesprächen, ließ launige
Bemerkungen fallen, flirtete ein wenig und gab der Schupfnudel in allem Recht.
Alexandra freute sich über Donghli, und Jens hatte sich, anstatt in
Wellness-Anwendungen zu schwelgen, ein Mountainbike ausgeliehen und war eine
Tour über die Siedelalpe nach Missen und weiter zur Thaler Höhe gefahren.
    Er war begeistert. »Tolles Bike-Terrain, was brauchen wir da den
Winter!«
    Er zwinkerte Jo zu und legte ihr die Hand auf den Arm. Zufällig –
und zufällig nahm er sie nicht mehr weg.
    Jo trank ihren zweiten Aperitif, und weil sie nichts gegessen hatte
heute, war alles auf einmal schwebend leicht. Die

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