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Weinzirl 02 - Funkensonntag

Weinzirl 02 - Funkensonntag

Titel: Weinzirl 02 - Funkensonntag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
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Besitzerwechsel
oft d Kundschaft abspringt. Dreißg bis fufzg Prozent ganget. Aber wenn des a
hiesiger Betreiber isch, nochhert isch es uifacher, dass ma dia Kundschaften
heba ka.«
    »Aha«, Gerhard machte sich Notizen, »und wenn ihr das nicht seid,
wer kommt dann in Frage? Das Allgäuer Brauhaus? Oder Rettenberg?«
    »Mei froag halt amol am Grünta dienet. Mehr hon i aber it gseit.«
    Gerhard wusste, dass jedes sonstige Insistieren zwecklos war. »Und
wie läuft es sonst bei euch?«
    »I ka it jomra. Grad hon i mit dr Jo vom Tourismusverband
telefoniert. Dia isch auf m Weag noch Berlin. Mit isrem Bier. Und sui hot
gmuint, des dät it langa. Isch scho reacht, wenn dia Föhl nix mehr hoim
bringt«, lachte er trocken.
    »Sei froh, dass ihr der Johanna nur Bier mitgegeben habt. Wenn ihr
Wein machen würdet, dann wäre sie selbst die beste Abnehmerin.«
    Der Braumeister lachte. »D Johanna isch scho reacht.«
    Man verabschiedete sich, Gerhard mit der Versicherung, bald mal
vorbeizuschauen.
    »Woll. Nochhert bringsch d Johanna mit. I hon au an sauguata
Obschtlar brennt«, sagte der Braumeister zum Abschluss.
    Diese Aussicht war verführerisch. Gerhard legte auf, stutzte und
überlegte dann: Was war verführerisch? Der Obstler oder Jo? Gerhard und Jo.
Freunde hatten sie beide schon als »Hanni & Nanni« bezeichnet. Und seine
Mutter, die zunehmend besorgt war über Gerhards Single-Dasein, hatte kürzlich
gemeint: »Heiratsch halt dia Johanna!«
    Heiratete man seinen besten Kumpel? Was er für Jo empfand, war mehr
als Freundschaft, aber er war nicht der Richtige. Das war zumindest seine tiefe
Überzeugung! Gerhard befand, dass sie einen Liebhaber brauchte, der jene
Ekstase versprach und das Kribbeln, das entsteht, wenn einer plötzlich nachts
um drei mit Champagner vor der Tür steht und nichts will, als das. So einer war
er nicht. Sie hätte es wahrscheinlich spannend gefunden, wenn er sie ans Bett
gefesselt hätte. Hätte Gerhard das versucht, hätte er wahrscheinlich den Knoten
nie mehr aufbekommen, hätte sich selbst mit festgebunden, hätte die Kerze
umgeworfen und all die mühsam erzeugte, inszenierte Erregung wäre in einem Lachkrampf
erstickt. Obwohl er um Jos verzwirbelte Seele wusste, machte er sich erst gar
nicht die Mühe, sie zu verstehen. Er setzte auf die Erfahrung, dass Jo immer
zurückkam zu ihm, dem verlässlichen Kumpel – eben weil Lachen alle Wunden
heilt. »Hanni & Nanni«, na gut, das war allemal besser als
Beziehungsstress, besser als viel zu große Häuser abzubezahlen und
heiratswillige Frauen auf Distanz zu halten. Schließlich konnte er nicht
anders.
    »Du lasch di beruflich absorbiera, privat aber nia«, hatte seine
Mutter kürzlich gemault. Absorbieren, ja wo hat sie das Wort denn her?, hatte
Gerhard damals gedacht. Ihr war es darum gegangen, dass Gerhard nie Zeit für
Familienfeiern hatte. Und sie hatte weiter geschimpft: »So findsch du nia a
Frau, bloß deine Wann-Neit-Schtänds.« Was seine Mutter alles wusste! Und dann
kam dieser Vorschlag, Jo zu ehelichen. »Dia schaffet ja au bloß, dann macht’s
ja nix.«
    Das stimmte, Jo arbeitete viel, wenn man die Stunden zusammenzählen
würde, die Stunden des Plauderns mit den lieben Journalisten, die langen Nächte
im Dienste des Marketings. Das war bei ihm ja so ähnlich. Er beneidete Jo nicht
um ihren Beruf, und nach Berlin hätte er sowieso nie einen Fuß gesetzt.
    Sein Blick ging hinaus, wo sich ein dunkelblauer Himmel über den
Schnee wölbte. Kalt war es geworden. Langsam wurde es Zeit, dass er mal klare
Gedanken fasste. Berufliche! Er drehte sich zu seinen Plastik-Kameraden um.
    »So Jungs, jetzt hab ich zwei Optionen in Rettenberg. So ein Kaff
hat nämlich zwei Brauereien.« Die beiden Gesellen nickten eifrig. Das hatten
sie ja längst gewusst.
    »Okay, die Variante, bei der ihr mehr nickt, die nehme ich!« Das
Urteil war eindeutig. Gerhard grinste.
    »Gut, ihr habt es so gewollt, am Montag in der Frühe fahr ich da
hin.«

8.
    Nach einem ruppigen Flug hatte Jo sich ein Taxi zu Andreas Wohnung
mitten in Kreuzberg genommen. Andrea war im Allgäu geblieben und hatte ihr wohl
zum hundertsten Mal das merkwürdige Haustürschloss erklärt, und zum hundertsten
Mal stand Jo da wie eine Idiotin. Es war ein Durchsteckschloss, und das konnte
nur die Erfindung eines bösartigen Geistes sein. Irgendwie musste man den
Schlüssel, der gar kein richtiger Schlüssel war, ganz durch die Tür
hindurchfummeln, mit akrobatischer Fingergymnastik die Tür

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