Weinzirl 02 - Funkensonntag
ist
zwar auch so ein glazialer Dinosaurier, der sich immer mehr zurückzieht, aber
dann bin ich doch in bester Gesellschaft.« Sie schenkte Wasser und Kaffee ein.
»Viva, sagt man in Bünden. Viva, meine Lieben, das Leben geht weiter.«
Als sie gegangen war und Patti still einen halben Teller
Bündnerfleisch verdrückt hatte, brach Jo das Schweigen.
»Langsam nervt ihr mich. Letztes Jahr habt ihr mir verschwiegen,
dass ihr baut, jetzt die Schwangerschaft. Was ist los mit euch? Weder du noch
Marcel seid stumm.«
Patti druckste etwas herum. »Du hast ja Recht, aber ich dachte, das
würde dir irgendwie wehtun. Und dann hat Marcels Mutter auch noch gemeint, du
würdest sicher unangemessen reagieren, weil du doch eh schon solche Probleme
hast und deine Katzen doch so ‘ne Art Kinderersatz wären.« Nun klang auch Patti
recht angriffslustig.
»Na, die Alte hat es nötig! Entschuldige, ich spreche von deiner
göttlichen Schwiegermutter in spe. Verdammt noch mal: Wieso erzählt sie diesen
Psychokrampf vom Kinderersatz? Wieso muss man automatisch eine emotional
gestörte Tussi sein, wenn man Katzen hat? Oder eine Eso-Tante, die sich
irgendwie für die dritte Reinkarnation einer Brockenhexe mit schwarzem Kater
hält?«
Patrizia schnitt eine Grimasse. »Komm lass uns mal etwas
runterkommen. Marcels Ma ist manchmal etwas schwierig, aber so abwegig ist der
Gedanke doch nicht.«
Jo atmete tief durch. »Okay, ganz ohne Polemik. Ein für alle Mal,
mir ist das ernst. Ich mag Katzen, weil sie Katzen sind. Ich liebe Katzen, weil
sie aus dem Stand zwei Meter hoch auf ein Regal springen können, weil sie schön
sind und anmutig, weil sie in den unmöglichsten Positionen schlafen können und
weil sie rosa Nasen haben. Ich liebe Katzen, weil sie dich lehren, dem
Augenblick zu gehorchen, Katzen entscheiden jede Sekunde neu, wonach ihnen ist.
Sie entscheiden das nicht nur, sie tun es auch! Ich liebe Katzen, weil sie dich
Gelassenheit lehren und weil sie dir grenzenloses Vertrauen entgegenbringen.
Solange du sie nicht enttäuschst! Tiere bedeuten Verantwortung, Konsequenz und
klare Gedanken. Das mag bei Kindern so ähnlich sein, allerdings haben Katzen
eindeutig den Vorteil, dass man sie unbeaufsichtigt zum Spielen schicken kann.
Andererseits bringen sie dir dann vom Spielen halbangefressene Mäuse mit,
blutige Vogelleichen oder halbe Blindschleichen. Das kommt bei Kindern eher
seltener vor, das mag ein Vorteil von Kindern sein. Was ich sagen will: Der
Vergleich ist absurd und unnötig!«
Patrizia lächelte. »Ich verstehe immer besser, was Marcel meint,
wenn er sagt, dass du jeden in Grund und Boden redest.«
Seit Jo sich ganz ohne biestige Gedankenteufelchen wirklich darüber
freuen konnte, dass ihr Ex und Patrizia ein prima Team waren, konnte sie über
solche Attacken herzhaft lachen.
»Tja, meine Liebe, weil meine Argumente einfach besser sind!«
»Na ja, aber du musst doch zugeben, dass es durchgeknallte
Zeitgenossen gibt, deren Wohnungskatze auf pinkfarbenen Plüschbettchen ruhen
und Sheba dinieren – an ganzer Petersilie.«
»Ja, das gebe ich gern zu. Katzen gehören auf Bäume, müssen Beete
umgraben und durchs hohe Gras hopsen. Isolationshaft ist katzenunwürdig. Aber
auch Kinderhaltung in Hochhäusern und betonierten Hinterhöfen ist unwürdig,
oder? Es gibt degenerierte Katzenhalter genauso wie degenerierte Eltern. Und
seien wir mal ehrlich – auch das ist eine Parallele. Du sorgst dich um die, die
du liebst. Und je mehr du sie loslässt, je mehr sie stundenlang aus deinem
Gesichtsfeld verschwinden, desto mehr musst du mit deiner Sorge leben. Kinder
kommen dann mit aufgeschlagenen Knie heim und Katzen mit zerbissenen Ohren.«
»Also doch der Kinderersatz?«
»Ersatz ist negativ. Es gibt viele Frauen, bei denen sich das mit
dem Muttertier eben nicht ergeben hat. So und jetzt Schluss! Du bekommst dein
Kind und freust dich darüber. Vielleicht pass ich auch mal darauf auf und
verzieh es. Aber erzähl du mir niemals wieder den Kinderersatz-Blödsinn. Sonst
kündige ich dir!«
»Du willst Patti kündigen?«, kam es von oben, in leichtem
Schwäbisch. Jo sah hoch. Da stand Jens!
Es gab Küsschen auf die Wangen, mehr Kaffee für Jo und Jens und noch
mehr Bündnerfleisch für Patti, die ausnahmsweise mal wieder eine normale Farbe
angenommen hatte. Das Café füllte sich, die Schweizer waren anscheinend eine
gute Frühstücks-Adresse.
Elke, eine Golfjournalistin, sank auf die Bank neben Jens. Obwohl
sie Jo kannte,
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