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Weinzirl 03 - Kuhhandel

Weinzirl 03 - Kuhhandel

Titel: Weinzirl 03 - Kuhhandel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
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über Pfronten und fuhr
einen kleinen Schlenker durchs Dorf langsam an der Praxis vorbei. Sie
betrachtete die Wohnung im ersten Stock. Sie wusste zwar, dass die Ostheimers
in Halden wohnten, dort, wo die Villen gemessen und still ruhten, aber jemand
wohnte im Haus. Das machte die Sache nicht einfacher. Entgegen ihrer sonstigen
Gewohnheit, eine Anwärterin für Bergrennen oder für die Tourenwagenklasse zu
werden, kroch Jo geradezu dahin. Zeit schinden. Nachdenken.
    Stetig stieg die
Straße an, bis sie schließlich in Grän den breiten Talboden erreichte. Auf rund
elfhundert Metern gelegen, gut dreihundert Meter höher als das Lechtal oder das
obere Illertal, war dies ein weites, anmutiges Tal, eins fürs Auge, keine enge
Klamm – kein Wunder, dass Touristen sich hier so wohl fühlten. Aber dahinter
zeigte es die Zähne, kühne Felszacken nämlich, Zähne aus Wettersteinkalk,
verwittert zu bizarren Formen. Das Massiv der Roten Flüh faszinierte Jo jedes
Mal: Stürzende Wände im Süden, nach Norden reckte sich der Felsturm des Gimpel,
nach Westen waren kühne Vorsprünge zu sehen. Was für ein Berg! Jo parkte in
Haller und stieg langsam bergan.
    Die Party war in
vollem Gange. Überall standen Leute mit Sekt- und Biergläsern. Selbst auf
dieser Höhe war es immer noch mild. Banjo war nicht zu sehen. Sie betrat die
Hütte, und sie entdeckte ihn. Er arrangierte gerade etwas an dem gigantischen
Büfett. Er sah sie und kam ihr entgegen, umarmte sie, grinste. Jo drückte ihn
ein wenig von sich weg und betrachtete ihn. Gut sah er aus mit einem
Kurzhaarschnitt. Er hatte wohl viel Sport getrieben in den letzten Monaten.
Banjo wirkte athletischer als früher. Er war einfach süß. Das schienen zwei
sehr hübsche Mädels auch zu finden, die argwöhnisch herüberschauten.
    »Hey, meine scharfe
Mama!«, rief Banjo.
    Jo knuffte ihn in
die Seite. Banjo war unverbesserlich und neben seinem ansprechenden Äußeren
eben einfach eine göttliche Type. Sie wurde vorgestellt, Small Talk mal hier,
mal da, bis Banjo nach etwa einer Stunde wiederkam. Im Schlepptau hatte er
einen jungen Mann. Der war groß, ziemlich groß, hatte melancholische Augen,
hohe Wangenknochen, und seine schwarzen Haare fielen ihm über die Augen. Seine
Nase war ebenmäßig, er war sehr blass und sehr schön. Ein wirklich schöner
Mann!
    »Laszlo, das ist
Johanna Kennerknecht, Tourismusdirektorin vom Immenstädter Oberland. Jo, das
ist Laszlo.« Banjo hätte für jedes Benimmbuch Modell stehen können.
    Laszlo sagte nichts,
er schaute ihr in die Augen. Lange. Dann sagte er: »Gyere.«
    Jo verstand kein
Wort Ungarisch, aber der Klang seiner Stimme bedeutete: »Komm!«
    Sie gingen vor die
Tür, und Jo folgte ihm draußen ein Stückchen auf dem Weg an der Hangschulter
entlang. Sie setzen sich auf einen Felsen. Laszlo drückte ihr ein Glas Wein in
die Hand.
    »Banjo hat mir
erzählt, dass du ein Problem hast.« Sein Akzent war hinreißend. »Erzähle!«
    Jo begann leise zu
reden, von Svenja, von ihren Träumen, ihrer Stärke und Kraft. Von der CD-ROM . »Sie hätte sich nie umgebracht!«
    Er saß da und sah
ihr lange in die Augen. »Das ist dir sehr wichtig?«
    »Ja, sehr. Es ist …«
Plötzlich wurde sie gewahr, dass er etwas in ihrem Inneren anrührte und zum
Klingen brachte. Sie wusste, dass sie ihre Worte sehr sorgfältig wählen musste,
sie, die doch einfach nur heraussprudelte aus ihrem übervollen Herzen. Ihr
Mundwerk war so oft schneller als ihr Denkapparat. »Svenja war großartig und
großzügig. Sie war niemals arrogant. Sie war realistisch dem Leben gegenüber.
Ihr hatte es gereicht, wenn der Schrecken der Jahre ab und an zu einem Flüstern
geronnen ist. Verstehst du?«
    Er nickte. »Ich
verstehe dich sehr gut sogar. Besser, als du ermessen kannst. Ich werde dir
helfen. Lass uns später weiterreden.« Er legte seine Hand kurz auf ihre
Schulter und stand auf.
    Später am Abend
stand er am Büfett, und sein Blick streifte sie. Jo stand in einer Runde von
Touristikern. Diese anderen, aus deren Mündern laut lärmend Marketingphrasen
blubberten, wurden Jo unerträglich in ihrer akademisch-theoretischen Arroganz.
Sie begann, sich zu verabschieden, als Laszlo dazukam und sagte: »Ich bring
dich.«
    Sie marschierten
schweigend, die Fackeln warfen bizarre Lichtreflexe auf die Felsen, ein
Käuzchen schrie. Ein lange verloren geglaubtes Gefühl war wieder da, Jo war
einzig auf die Tatsache des Da-Seins reduziert. Das war Bergmagie, so, wie sie
das zum letzten Mal auf

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