Weinzirl 03 - Kuhhandel
Dunkles.«
Jo war um halb acht
zu Hause. Sie hatte die Schuhe vor der Tür abgestreift und trat in etwas
Weiches. Mümmel, die kein Trockenfutter vertrug, hatte sich wahrscheinlich
Selbiges bis zum Anschlag reingestopft und dann in den Gang gekotzt. Natürlich
nicht auf die leicht abwischbaren Bodenfliesen, sondern auf die
Fleckerlteppiche. Was war Jo auch die Nacht über weggeblieben! Bianchi, die
nichts in einer normalen Geschwindigkeit tun konnte, kam aus der Küche
galoppiert und schlitterte, weil Jo die Fleckerlteppiche weggenommen hatte, über
die Fliesen. Sie konnte gerade noch ein Bremsmanöver einleiten, indem sie sich
in Jos nackten Fuß krallte. Welcome home! Sie stand da noch mit ihren Teppichen
und starrte auf ein kleines Blutbächlein auf ihrem Fuß, als eine aufgeregte
Resi Gschwendtner hereineilte.
»D Ross sind
ausbrocha! Dr Hias isch bluatsnarrat!«
Jo war hellwach.
»Wo sind sie hin?«
»Dean Hella und dia
Stute hond mir wieder eigfanga, aber dia Klui, die verwisch i it. Des isch a
kluiner Deifel!«
Jo folgte Resi und
sah Fjölla schon von weitem. Sie tat sich auf einer von Hias’ Wiesen gütlich.
Die hatte kein anderes Gras als die eigene, aber sie war nun mal außerhalb des
Zaunes. Das reichte Fjölla. Jo warf etwas Pferdemüsli in einen Eimer und
schepperte damit. Der Pferdekopf ruckte hoch. Dann folgte ein hohes Wiehern,
und Fjölla kam angaloppiert. Jo warf ihr ein Halfter über und zuckte mit den
Schultern.
»Ohne Bestechung ist
da nichts zu machen. Haben die was kaputtgemacht?«
Resi wiegte den Kopf
hin und her. »Mei, dr Zaum war hi. I hon ihn gricht. Des isch scho räacht so.«
Jo bedankte sich
überschwänglich, brachte Fjölla in ihre Koppel zurück und wollte Resi für ihre
Mühe eine Flasche Rotwein aus dem Keller holen. Sie war gerade die steile
Treppe wieder oben, als sie im Halbdunkeln über Kater Moebius fiel. Welcome
home again! Der Kater hatte sie auch begrüßen wollen. Nachdem die Scherben
aufgesammelt waren, der Rotwein aufgewischt war und Resi eine zweite Flasche
bekommen hatte, war es halb zehn, und Jo konnte sich endlich einen Cappuccino
machen. Gott, der Tag war ja noch ewig lang! Es war eine klassische
Übersprungshandlung, dass Jo beschloss, ihr Haus zu putzen. Eine wunderbare
Sonntagsbeschäftigung! Bianchi jagte den Wischmopp – es war eine kleine Idylle.
Nach einem
ausgedehnten Ritt mit Fenja nahm Jo ein ausschweifendes Bad, bis ihre Finger so
schrumplig waren wie die Finger eines Waldtrolls. Es war immer noch nicht mal
ansatzweise Nacht! Jo schaltete den Fernseher ein und startete eine Zapp-Orgie
durch die Abgründe der Fernsehunterhaltung. Jo, die sehr selten fernsah, hatte
mehrfach das Gefühl, sie wäre irgendwann eingefroren und nun Jahre später
wieder aufgetaut worden. Oder aber sie hatte eine Zeitreise unternommen. Das
Vorabend-Fernsehprogramm war ihr komplett fremd. Da baute eine moppelige Frau
einfach die Wohnungen von unbescholtenen Menschen um, da hatte ein Mädchen mit
Prinz-Eisenherz-Ponyfrisur Männerprobleme in Berlin, und was am schlimmsten
war: Die Mainzelmännchen, Ikonen ihrer Kindheit, sahen aus wie ein japanischer
Comic. Sie waren schlank, trendy, sportlich. Wo waren die dicklichen Kerlchen,
die tollpatschig über den Bildschirm gepurzelt waren? Sie wirkten, als ob sie
eine Boygroup gründen wollten – vielleicht als Vorgruppe von Jeanette oder
Yvonne Catterfeld. Sie hätten sich auch bei Verbotene Liebe oder GZSZ bewerben können – nur
Mainzelmännchen waren sie keine mehr. Was für eine verkehrte Welt! Sie zappte
weiter, nahm gar nicht wahr, was sie da alles so sah. Endlich, um halb eins,
konnte Jo losfahren.
Jo hatte ihr Auto
vor der Eisdiele geparkt. Es war eine helle Nacht. Der Mond legte ein milchig
weißes Laken über die Berge und die Häuser. Ab und zu schob sich eine Wolke vor
den Mond. Als eine Katze vor Jos Füßen vorbeihuschte, hatte sie fast eine
Panikattacke. Sie atmete heftig, lehnte sich gegen eine Wand und sah zum
Himmel. Komisch, dachte sie, wir reden oft so schnell dahin. Mir ist fast das
Herz stehen geblieben. Wir blicken ins Publikum und lachen. Und dabei gibt es
Situationen, in denen das Herz für Sekunden seinen Dienst versagt. So wie jetzt
eben. Wir sind unvorsichtig mit Worten, wir sind unsensibel nur auf Effekte
bedacht. Ich bin untröstlich – wie oft hatte sie das mit einem ironischen
Grinsen gesagt. Aber nun war sie wirklich untröstlich über Svenjas Tod – es gab
keinen Trost. Nicht jetzt, nicht
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