Weinzirl 03 - Kuhhandel
alltagstauglich!«
»Männer! Was fragt
ihr nach der Alltagstauglichkeit von Liebe? Du solltest nehmen, was das Leben
dir offeriert. Das Leben ist zu schade, die besten Dinge zu verschwenden! Zu
schade, um Zeit zu verschwenden. Alltagstauglichkeit! Was für ein Kotzwort. Was
brauchst du? Eine Köchin, eine Putzfrau? Eine Mutter?«
»Nein, aber eine
Partnerin, ich will …« Gerhard rang nach Worten.
»Du willst? Was
willst du? Sind wir jetzt bei der Märchenstunde von den inneren Werten? Du
lässt zu, dass sie deine Gedanken regiert, das ist verdammt viel. Mehr, als
andere je erleben. Sie begleitet dich, auch wenn sie nicht da ist. Du
überlegst, was Jo gedacht, gesagt, getan hätte. Ich merke das. Für wie blöd
hältst du mich? Ich bin vielleicht blond, aber nicht blöd. Ich sitze leider
immer nur auf der Ersatzbank.« Ihre Stimme war leiser geworden.
Gerhard versuchte,
ihr in die Augen zu sehen. »Evi, ich wollte nie, dass du dich als Ersatz für Jo
empfindest.«
»Bin ich aber!
Gerhard, was redest du von Alltag, wenn es um etwas Größeres geht!«
»Du redest, du
redest …«
»Nicht wie eine
Polizistin? Nicht wie die immer kühle Evi, die alles im Griff hat? Ich versuche
mal so zu reden, wie Jo das täte. Ich habe das vor dem Spiegel geübt: dramatisch, fulminant. Das müsste dir doch gefallen!«
»Evi, ich bitte
dich. Bleib du selbst. Du bist doch eine tolle Frau! Das hört sich doch an, als
wolltest du mich überzeugen, zu Jo zu gehen. So, als wolltest du mich
loswerden.« Gerhard sprach zögernd.
»Das muss ich nicht,
weil du längst bei ihr bist, in Gedanken, verbunden durch eine ewig lange
Vergangenheit, verwirrt durch die Gegenwart und auf der Suche nach einer
Zukunft. Ich will dich nicht loswerden. Ich hatte dich bloß nie.« Evi sah zu
Boden.
»Aber, ich, ich mag
dich. Ich bin gerne mit dir zusammen. Du hast ein gutes Herz. Du …«
»Ja, genau, das
klingt, als würdest du von deiner Schwester, deiner Kusine oder Oma sprechen,
wahlweise auch von einem lieb gewonnenen Haustier. Ein gutes Herz! Ich bitte
dich!«
»Aber so ist das
nicht! Wir hatten guten Sex, wir hatten Spaß. Du bist eine wahnsinnig
attraktive Frau, nein, du bist schön. Du hast einen perfekten Körper, sexy. Wir
haben denselben Beruf, du verstehst mich …«, Gerhard merkte selbst, wie bemüht
das klang.
»Und ich bin nicht
Jo. Niemals! Sie versteht dich nicht. Ich habe sie ein paarmal furchtbar
selbstgerecht und ätzend erlebt. Sie hat wahrscheinlich keinen perfekten
Körper. Aber sie bringt dich um den Verstand. Den wenigen, den ihr Männer habt!
Hast du mit ihr geschlafen?«, fragte sie urplötzlich ganz abrupt.
»Nein, oder …«
»Was oder?«
»Vor vielen, vielen
Jahren! Ich war zweiundzwanzig, Jo war zwanzig.«
»Und?«
»Was und?«
»Wie war es?
Explodierte der Himmel?«
»Evi! Bitte! Das ist
achtzehn Jahre her. Ich weiß es nicht mehr. Das war eine Zeit, wo Sex mehr ein
Volkssport war. Heute die, morgen die«, sagte Gerhard und wusste, dass er log.
Es gab auch eine
Vergangenheit, die gar nicht so lange zurücklag. Es war im März gewesen.
Nachdem Jo aus dem Krankenhaus gekommen war, damals nach ihrer
lebensgefährlichen Aktion am Fellhorn, als sie mal wieder der Polizei ins
Handwerk gepfuscht und sich selbst in Teufels Küche oder besser in eine weiße
Schneehölle gebracht hatte, da war etwas passiert. Sie waren beide so froh
gewesen, dass es vorüber war. Jo hatte für Gerhard ein Weißbierverbot in ihrem
Haus ausgesprochen, und Gerhard – dank rheinhessischer Weinbauernverwandtschaft
– hatte kühn vorgeschlagen, sie ihren österreichischen Weinen zu entwöhnen und
den Beweis zu führen, dass deutscher Rebensaft so richtig gut war. »Dem
deutschen Wein fehlt die Poesie«, hatte Jo noch gelästert.
Am nächsten Abend
war er aufgetaucht mit den Schätzen seines entfernten Onkels Doll aus
Stadecken-Elsheim. Zuerst gab es einen RS ,
Rheinhessen-Silvaner, jung, frisch, leicht moussierend. Jo hatte genippt,
einmal, zweimal, und dann überrascht und anerkennend genickt. Es folgte ein
Grauburgunder, leicht und doch gehaltvoll, und dann kam ein Riesling. Furioses
Finale! Jo hatte gekostet. »Maracuja, wie wunderbar!«, hatte sie gesagt. Sie
tranken und schwiegen. Es war ein samtweicher Abend, einer dieser ganz seltenen
Momente, wo alles fließt, ganz ohne an die Ecken und Kanten des Lebens
anzustoßen.
Gespräche, die Zeit,
der Rebensaft – alles war im Fluss. Gerhard hatte auf Jos Couch gesessen,
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