Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Weinzirl 03 - Kuhhandel

Weinzirl 03 - Kuhhandel

Titel: Weinzirl 03 - Kuhhandel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
Vom Netzwerk:
Eidechse trug. War
das heute Morgen ein Jägerwettstreit? Sie packte Bianchi samt Beute und trug
beide vor die Tür. Bevor nun auch noch Mümmel ihren Beitrag zur Dezimierung
geschützter Arten leisten würde, war es besser, ins Büro zu fahren. Schlaflos,
mit unruhigem Herzen.
    Laszlo hatte Recht.
Sie musste Gerhard anrufen. So oder so. Sie hätte lange schon in Kontakt mit
ihm treten müssen. Hätte, hätte sollen – ein Leben in Konjunktiven. Es war Zeit
für den Indikativ. Sie tippte die ersten Ziffern, natürlich wusste sie diese
auswendig – und legte auf. Okay – zweiter Versuch: Es läutete, eine
Männerstimme in der Vermittlung meldete sich. Jo verließ der Mut. Sie warf den
Hörer so schnell in die Schale, als sei der mit Dornen gespickt. Beim dritten
Versuch ließ sie sich mit Gerhard Weinzirl verbinden. Wer sich meldete, war Evi
Straßgütl. Ausgerechnet das Blondchen! Gerhard sei nicht da, ob sie was
ausrichten könne. Ja, das könne sie. Jo merkte selbst, dass ihre Stimme
ironisch klang und zu laut und dass sie wie ein unruhiger Zwingerhund durch
ihre Küche schoss. Sie setzte sich und bat Evi, Gerhard zu sagen, dass sie
Informationen beibringen könne, die auf Svenjas angeblichen Suizid ein ganz
neues Licht werfen würden. Als sie ins Tourismusbüro aufbrach, war sie nervös
wie vor einem Date. Würde er sich melden?
    Gerhard war noch
nicht richtig in seinem Büro, als Evi hereinrauschte. »Jo hat angerufen. Sie
will dich unbedingt sprechen. Wegen dieser Svenja. Sie sagt, das war kein
Selbstmord.«
    Gerhard zuckte
zusammen. So, wie man wegzuckt, wenn man an einen Weidezaun fasst, der unter
Strom steht. Er starrte Evi an.
    »Hallo? Ist jemand
zu Hause? Ich sagte, Jo hat angerufen und bittet um Rückruf. Sie hat angeblich
Informationen für dich, die besagen: Svenja Gudmundsdottir hat sich nicht
umgebracht. Mir wollte sie nichts Näheres sagen.« Evi klang sehr
geschäftsmäßig.
    Gerhard wollte
gemessenen Tons antworten, aber irgendwo aus tiefem Seelengrund, dort, wo die
alten Ängste, Verwirrungen und Verletzungen gut versperrt für den Rest der Welt
hinter Gittern sitzen, brach es hervor: »Das kann sie doch nicht bringen!
Einfach hier anzurufen, als sei nichts gewesen!« Er registrierte Evis entgeisterten
Blick. Sie kam einen Schritt auf ihn zu.
    »Sie kann. Sie darf
doch sowieso fast alles«, sagte Evi in einem Ton, den Gerhard an ihr nicht
kannte. Sie zögerte, und dann rief sie: »Irgendwie sind doch alle in Jo
verliebt. Unser Ex-Kollege Volker Reiber war in sie verliebt. Du bist es, alle
Männer sind es. Männer bewundern ihren Esprit, ihre mitreißende Art, ihr
Dekolleté. Sie hat etwas provozierend Weibliches, obwohl sie eigentlich zu fett
ist. Entschuldigung, aber es stimmt doch. Und wir Frauen hassen sie und
bewundern doch ihre Unabhängigkeit, ihren Optimismus, ihre Präsenz. Wenn Jo
einen Raum betritt, sind andere nur noch Statisten. Sie hat diese Aura.
Verdammt, ich hätte das auch gern.«
    »Scheiß auf die
Aura!«, rief Gerhard.
    »Ich weiß nicht. Ich
hasse diese Frau, und ich habe doch Respekt vor ihr. Sie ist keine Tussi, sie
ist nicht dumm. Sie nervt mit ihrer Bauernhofromantik, ihren Gummistiefeln und
nach Stall stinkenden Haaren. Aber bei ihr wirkt das natürlich charmant, weil
sie einige Minuten später im Hosenanzug und viel zu viel Dekolleté umwerfend
aussieht. Ich hasse ihr Dekolleté, sie braucht nicht mal ‘nen Push-up. Sie wäre
die Idealbesetzung für Bekanntschaftsanzeigen: in Jeans und Abendkleid. Du
solltest dir mal selbst zusehen, mit welcher Verzückung du erzählst, dass sie
Traktor fahren kann und einen Schweißkurs gemacht hat. Und dabei hat sie einen
Doktortitel der Soziologie und kann wahrscheinlich, wenn’s die
gesellschaftlichen Umstände erfordern, Hölderlin zitieren. Sie ist unfassbar,
und sie kann dich in den Abgrund ziehen. Sie schafft es, die besten und die
schlechtesten Eigenschaften in Menschen hervorzurufen. Schau dich an, bei dir
ist das so. Sie ist, sie ist … sie ist Jo. Und Jo werde ich nie sein! Du liebst
sie, du hast sie immer geliebt.« Evi war so aufgebracht, wie Gerhard sie selten
erlebt hatte.
    »Evi, das ist doch
Quatsch. Ich kenn dich gar nicht mehr. Du machst dir so viel Gedanken über Jo?«
Gerhard war ehrlich verblüfft.
    »O ja! Ich hatte
genug Zeit, sie zu beobachten. Durch deine Augen. Lange bevor wir … Du weißt
schon. Sie nimmt so viel Raum in deinem Leben ein.«
    »Selbst wenn es so
wäre«, sagte Gerhard, »das ist nicht

Weitere Kostenlose Bücher