Weinzirl 03 - Kuhhandel
kommen wir keinen Schritt weiter.« Evi zögerte erneut. »Und es
kommt, was deine Verblüffung betrifft, noch besser. Dominik Pflug, der immer
noch unauffindbar ist, wurde zur Tatzeit des Mordes an Svenja in Eisenberg
gesehen. Oder besser, sein Auto. Er fährt einen kleinen, alten Seat Marbella in
Türkis, eigentlich gar nicht besonders standesgemäß für so einen
Upper-Class-Sohn. Nun, das Auto stand unweit von Svenjas Pick-up. Zweifel
ausgeschlossen. Zwei Zeugen erinnern sich, dass auf den Türen eine Giraffe und
ein Nashorn wie bei einem Safarifahrzeug aufgepinselt waren.«
Gerhard brauchte
eine Weile, das alles zu verdauen. »Ich sollte öfter einen kleinen
Krankenhaus-Urlaub einlegen. Da laufen Ermittlungsergebnisse ja auf wie Perlen
an einem Schnürchen. Ihr seid zu schnell für einen alten Mann, der eine aufs
Dach gekriegt hat. Ich krieg das alles nicht zusammen. Ostheimer, den Mord an
Seppi, den Mordversuch an mir, Dominiks Anwesenheit am Tatort. Wo ist der rote
Faden?«
Evi schüttelte fast
verzweifelt den Kopf. »Untersteh dich, öfter im Krankenhaus rumzugammeln. Ich
brauch dich hier. Ich habe nämlich selber keine Ahnung. Nicht die leiseste. Ich
bin völlig damisch im Hirn. Mir ist – und da muss selbst ich zum Allgäuerischen
greifen – drimslig im Kopf!«
»Nun, dann werd ich
den Club der Ahnungslosen mal unterstützen. Okay!« Gerhard nahm einen Schluck
Kaffee. »Ich werde mich jetzt mal entlassen, und dann pack mers!«
»Meinst du, es wäre
nicht besser, wenn du …«
»Schmarrn! Wegen so
ein paar Rippen. Du willst mit mir arbeiten? Das wirst du jetzt – Tag und
Nacht! Jemand wollte mich umbringen, das nehme ich irgendwie persönlich. Und
wenn es Ostheimer war, dann nehme ich das noch persönlicher. Der hat mich
nämlich ziemlich über den Tisch gezogen. Dieser Fall ist voller Anfängerfehler,
ab jetzt darf ich mir keinen mehr leisten.«
Nach einer hitzigen
Diskussion mit dem Stationsarzt, von der dem Doktor wahrscheinlich noch lange
in Erinnerung bleiben würde, dass der Kommissar ihn »einen
arrogant-akademischen Bedenkenträger in Weiß« genannt hatte, war Gerhard
draußen. Dann führte er ein weniger hitziges, aber höchst sarkastisches
Gespräch mit Staatsanwalt Merk, der nicht begeistert war, einen Haftbefehl für
Ostheimer auszustellen. Aber schließlich rettete Merk sich hinter eine seiner
Lebensweisheiten, mit denen er stets brillierte – heute: »Hat man nicht viel
gewonnen, wenn man gelernt hat, den Kürzeren zu ziehen?« Und so hatte Gerhard
einen Haftbefehl im Gepäck, und am frühen Nachmittag kamen Gerhard und Evi in
der Praxis in Pfronten an.
Die Tür war angelehnt,
die Sprechzeiten waren vorüber. Sie gingen am Empfangstisch vorbei und hörten
Röschen in einem der Räume leise sprechen. Sie kniete vor einer Kiste, die
unter einer Wärmelampe stand.
»Feiner Bursche, das
wird schon wieder. So ein großer Kerl und ein Kreislauf wie ein Mäuschen, hmm?«
Gerhard räusperte
sich, und Röschen fuhr herum.
»Frau Ostheimer?« Er
sah sie an, diese zierliche Frau, an deren Augen beim letzten Gespräch er sich
noch so gut erinnern konnte. Es waren Augen voller melancholischer Tiefe
gewesen, die von langen Jahren der Resignation hergerührt hatte. Heute waren
ihre Augen anders: Wieder diese Tiefe, aber voller Wärme und Optimismus.
»Ein schwieriger
Patient?«, fragte Gerhard und beugte sich über die Kiste, in der ein
stattlicher roter Kater lag, der noch unter dem Narkoseüberhang zu leiden
schien.
»Er hatte einen
Tumor. Inoperabel, sagte mein Mann. Svenja hatte operieren wollen. Nun, mein
Mann ist nicht da, und Svenja …« Ihr Blick verdunkelte sich. »Jedenfalls wäre
Garfield an dem Tumor auf jeden Fall gestorben, und die Besitzerin hat mir
zugeraten, es zu versuchen. Ich habe lange nicht mehr operiert, das ist die
Domäne meines Mannes, aber ich habe es getan. Und – er wird wieder, der gute
Garfield. So ein prächtiger Bursche, der hat noch einige Jahre vor sich mit
Mäusejagen, anderen Katern die Ohren zerbeißen, jungen Katzendamen
nachstellen.« Sie kraulte ihn hinterm Ohr. »Es ist wunderbar.«
Sie sagte das nicht
triumphierend, eher ungläubig und so, als hätte sie soeben einen Bann gebrochen.
Von feinen Fäden hatte Frau Weigand gesprochen. Sie hatte so ein Gespür bei
ihren Wahlverwandtschaften, dachte Gerhard.
»Das freut mich für
Sie und Garfield«, sagte Gerhard, und er war sich sicher, dass sie verstand,
was er damit sagen wollte. »Frau Ostheimer,
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