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Weinzirl 04 - Gottesfurcht

Weinzirl 04 - Gottesfurcht

Titel: Weinzirl 04 - Gottesfurcht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
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hat er noch extra
Schinken verlangt zum Bier. Und dann Käse und dann Wein. Ich wurde in den
Keller geschickt, den besten Roten heraufzuholen. Meine Mutter hat ihn selbst
aufgemacht, das Glas gefüllt. Er hat probiert und gesagt, der schmecke nicht.
Stellt euch das vor! Und meine Mutter und meine Schwester, die haben sich einen
abgebrochen. Himmel, als würden sie erwarten, dass der Herr Pfarrer sie heilig
spricht. Und als ich zum vierten Mal in den Keller geschickt wurde und der
Pfarrer wieder was an der Flasche auszusetzen gehabt hat, wurd ich echt
fuchsig.«
    »Ja und?«, fragte
Schorschi, gespannt wie ein Flitzebogen.
    Nun war es an Pauli
zu grinsen. Pauli, der bei den reichen Berger Bauern aufgenommen worden war,
hatte die Szene hinter der Tür belauscht.
    »Er hat mit dem Fuß
aufgestampft und laut und deutlich gesagt: Dann gehens doch ins Wirtshaus, Herr
Pfarrer, gehens zum Berger-Wirt oder zum Krenn und lassen uns unseren Wein.«
    »Autsch!«, machte
Hansl. »Und jetzt!«
    »Jetzt hab ich
Hausarrest, krieg nichts von der Weihnachtsgans und muss zum Beichten.«
    Die Vorkommnisse von
gestern verursachten Karli Unwohlsein. Die Kerbe in seinem Herzen wurde tiefer.
Es war ungerecht, denn er hatte doch Recht. Hatte er Recht?

6
    Als Gerhard am nächsten
Morgen über den Hof ging, erschallte eine Stimme.
    »Herr Weinzirl.
Wollen Sie eine Tasse Kaffee und ein Croissant? Man soll nicht ohne Frühstück
aus dem Haus gehen. Los, kommen Sie! Fünf Minuten werden Sie ja wohl haben.«
    Er wurde von der
Dame des Hauses, die er ja nun schon von Baiers Weihnachtstannen-Auftrieb
kannte, in eine Küche geführt, deren Möbelfronten komplett mit Weinetiketten
beklebt waren. Ein Hund, der wohl einen Bären und einen Wolf in seiner engeren
Verwandtschaft haben musste, sprang ihn an. Aus einer Durchreiche schoss eine
kleine Katze, die ebenso dürr wie spinnengleich war, und raste einen Vorhang
hinauf.
    »Ein Findelkind. An
die ist kein Gramm hinzubringen, so wie die rumrast. Dabei frisst sie wie ein
Scheunendrescher. Ich versuche es wirklich.«
    Daran hatte Gerhard
keinen Zweifel, die Dame des Hauses selbst war nicht direkt auf der schmalen
Seite. Angesichts der Weinetiketten und eingedenk des Weihnachtskuchens bei
Baier und so wie er hier bemuttert wurde, war sich Gerhard sicher, dass in
diesem barocken Haushalt keine Mangelernährung herrschte.
    »Ich hab gestern
Nacht Ihre Tochter getroffen«, sagte Gerhard und verfolgte mit den Augen die
waghalsigen Manöver der Spinne. »Sie war, äh …«
    »Sie war als
Burgfräulein gewandet? Ja, unser Kind hat einen Mittelalter-Tick. Sie hat
Kostüme anprobiert. Sie will sich für das Kaltenberger Ritterturnier bewerben,
für den Umzug. Für die Bewerbung braucht sie Fotos. So, und Sie sind schon voll
involviert in eine Mordserie, habe ich gehört.« Seine Vermieterin beugte sich
neugierig vor.
    »Ja, also ich muss
jetzt, lieben Dank für das Frühstück.« Gerhard stand auf, gerade rechtzeitig,
denn die Spinne landete direkt in seinem Teller.
    Als Gerhard im Auto
saß, musste er schon wieder grinsen. Ein Burgfräulein, eine Kamikaze-Katze und
gestern diese ganzen Gestalten. Er hatte schon lange nicht mehr in so kurzer
Zeit derart viel in sich hineingeschmunzelt. So eine Veränderung im Leben
brachte doch völlig neuen Schwung.
    Mit diesem Schwung
polterte er in die Werkstatt von Alois Stuckenzeller in Ogau. Baier wollte in
der Zwischenzeit noch mal den Rechtsbeistand der Initiative befragen, der neben
Stuckenzeller das Sprachrohr war. Stuckenzeller selbst war Schnitzer,
Gemeinderat, Trachtenvorstand, engagiert im Leonhardiverein und Darsteller in
der Passion. Der Spitzname »der Prozessor« klang noch in Gerhards Ohr. Auch
Paul Fischer hatte ihn gewarnt: Der Mann sei ein Grantlhuaber und trotzdem die
Inkarnation von allem, was Ogau lieb und heilig sei.
    Als nach mehrmaligem
Klopfen an einem Werkstattschuppen im Garten nicht geöffnet wurde, trat Gerhard
ein. Stuckenzeller stand in leicht gekrümmter Haltung vor einem riesigen,
sicher gut zwei Meter hohen Holzklotz und hieb in schnellen, rhythmischen
Schlägen darauf ein. Wie eine Maschine, so präzise und taktrein, spie sein
Messer gleich große Holzsplitter. Als er innehielt, stand Schweiß auf seiner
Stirn. Es war auch affenheiß in dem kleinen Raum, der von einem schwarzen
Werkstattofen beheizt wurde.
    »Wenns was kaufen
wollen, gehns vor ins Haus.«
    Das klang zwar nicht
direkt unfreundlich, aber in Anbetracht der Tatsache, dass

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