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Weinzirl 04 - Gottesfurcht

Weinzirl 04 - Gottesfurcht

Titel: Weinzirl 04 - Gottesfurcht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
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St.-Lukas-Verein umsehen.«
    »Reden Sie nicht in
Rätseln!«
    »Wenn Sie Ihre
Hausaufgaben besser machen würden, wüssten Sie, was der Lukasverein ist. Er
existiert seit hundertfünfzig Jahren. Das ist ein Zusammenschluss jener
Schnitzer, die sich verbürgen, nur handgeschnitzte Ware anzubieten. Es gibt
auch einen Stempel, der das zertifiziert. Das O und G für Oberammergau. Die
Pfeile stehen für die Berge, in der Mitte der Kofel, drunter die Ammer.«
    »Aha, sehr
lehrreich, und was hat das mit Kölbl zu tun?«, fragte Gerhard.
    »Der war auch im
Lukasverein.«
    »Ja und? Jetzt
kommen Sie mal in die Gänge!«
    »Kommen Sie mal mit,
ich zeig Ihnen etwas.«
    Er führte Gerhard in
einen zweiten Raum. Messer lagen in Kästen, überall Skizzenpapiere, ein Buch
lag aufgeschlagen auf einem Hocker. Holzspäne tanzten in einem Lichtkegel, der
durch das milchige Fenster fiel. Am Arbeitsplatz stand eine Engelsfigur, an der
der Mann augenscheinlich auch arbeitete.
    Drüben der
Riesenklotz, bei dem sich Gerhard immer noch nicht vorstellen konnte, was er
mal werden sollte. Hier dieses filigrane Engelchen. Stuckenzeller schob einige
Messer beiseite, entfernte das Buch und ließ Gerhard Platz nehmen. Er stellte
zwei Josefsfiguren auf den Tisch.
    »Was sehen Sie?« Das
klang provozierend.
    Gerhard war versucht
aufzubegehren. Er hatte keine Zeit und Muße für Ratespiele. Aber er riss sich
zusammen.
    »Den heiligen Josef,
zwei Mal!«
    »Sehen Sie genauer
hin!« Der Typ vergriff sich immer noch um eine Nuance im Ton, aber irgendetwas
riet Gerhard mitzuspielen.
    Und er sah genauer
hin. Der eine Josef stand aufrecht da, sein Körper war leicht verdreht, er
blickte über die Schulter und hatte die Hände gefaltet. Genau so eine Figur
hatten seine Eltern. Der andere Josef sah fast genauso aus. Er blickte aber
geradeaus und reckte seine Hände nach vorn, wahrscheinlich in Richtung des
Christuskinds.
    »Okay«, sagte
Gerhard schließlich, »das sind zwei unterschiedliche Figuren.« Er beschrieb,
was er sah, obgleich ihm das missfiel. Er war doch nicht in der Schule!
    Der Mann wurde
freundlicher. Er setzte eine Tasse Kaffee vor Gerhard ab. »Ich wollte Ihren
Blick schärfen. Sehen Sie, die erste Figur ist keine handgeschnitzte Figur. Das
ist eine Figur, die von einer CAD -gesteuerten
Maschine gefräst wurde. Solche Figuren entstehen aus einem zylinderförmigen
Holzklotz, und sie machen selten ausladende Gesten. Das können Maschinen
einfach nicht fräsen, die Bruchgefahr ist zu hoch. So, und unser Josef Nummer
zwei ist reine Handwerkskunst.«
    Gerhard begann Spaß
an dieser Lehrstunde zu bekommen. Er sah sich die Figuren noch mal genau an.
»Der hier guckt irgendwie anders«, sagte er schließlich und wies auf den
handgeschnitzten Josef.«
    »Ja, nun haben Sie
es erfasst. Das ist Oberammergauer Schnitzkunst, ausdrucksvoll und lange nicht
so süßlich. Die gefräste Figur hat eine Stupsnase und diesen süßlichen Blick.
Das ist Südtirol. So, Herr Weinzirl, ich sehe, dass Sie einen Blick fürs Detail
haben. Nun wird es schwieriger.« Er setzte zwei Madonnenfiguren vor ihm ab,
Figuren, die bemalt waren.
    Gerhard überlegte.
Die eine Madonna war wieder so eine Stupsnasige, und ihre Hautfarbe war rosig.
Die andere wirkte irgendwie natürlicher. Südtirol und handgeschnitzt. Er zeigte
auf die jeweiligen Figuren.
    »Genau, bei
Südtiroler Figuren ist die Bemalung mit Airbrush aufgetragen. Der Laie merkt
das nicht. Sie schon, weil Sie den direkten Vergleich haben. So, und nun der
dritte Schritt, Herr Weinzirl.«
    Er stellte wieder
zwei Figuren vor ihm ab. Zwei Figuren der Jungfrau Maria, die auf den ersten
Blick absolut identisch waren. Mit seinem neu erworbenen Schnitzwissen war ihm
aber eins sofort klar. Die linke Maria war handgeschnitzt und handbemalt. Die rechte
sah fast gleich aus, wenn auch der Faltenwurf ihres Kleides weniger aufwendig
war und sie eine Stupsnase hatte. Aber auch sie schien handbemalt zu sein.
    »Das verstehe ich
jetzt irgendwie nicht«, sagte Gerhard. »Ich weiß nicht so recht …«
    »Beschreiben Sie,
was Sie sehen«, sagte Stuckenzeller eindringlich.
    »Nun, ich hätte bei
der rechten Maria zuerst gesagt, sie sei eine Südtirolerin. Aber die Bemalung
sieht nicht so aus wie bei der Airbrush-Madonna. Eigentlich sieht das
handbemalt aus.«
    »Eben, Herr Weinzirl,
eben! Sie haben völlig Recht.«
    Langsam dämmerte
Gerhard, worum es ging. »Sie meinen, diese Maria ist maschinengefräst und
gleichzeitig handbemalt. Aber

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