Weinzirl 04 - Gottesfurcht
befragen? Plus deren
Sympathisanten, Kinder, Haustiere?«
»Lassen Sie die
Kinder und Haustiere mal weg. Außerdem sind manche vielleicht im Urlaub.
Hoffentlich! Ich habe zwei Leute drauf angesetzt. Und Ihnen wird wohl heute
Nachmittag auch nur diese leidige Routinearbeit bleiben. Wir sollten bis heute
Abend die Namen von den Übriggebliebenen haben.«
Und das waren
immerhin noch acht, die sie morgen vernehmen wollten.
Als Gerhard sein
neues Büro verlassen hatte, war es bereits stockdunkel. Er kaufte sich in einem
Supermarkt Brot und Pressack und legte sich zu Hause vor den Fernseher. Er war
grätig, wie man das im Allgäu ausdrückte. Hier war er grantig. Grätig-grantig
darüber, dass dieser Stuckenzeller ihn irgendwie ausmanövriert hatte.
Grätig-grantig über die Welt, die er nicht mehr zu verstehen schien. Eine
Blonde durfte da eine unsägliche Sendung moderieren, weil sie einen
Fußballtorwart vögelte. Der Kanzler suhlte sich im Applaus der Massen, weil er
ein armes Mädel aus Russland adoptiert hatte, wo andere Hunderte von
Adoptionsanträgen stellten und nach zermürbenden Jahren abgelehnt wurden. Des
Kanzlers Gattin vermarktete Artikel mit dem Konterfei des Kanzlerhundes. Ja,
gab es denn keine vordringlicheren Probleme in diesem Land? Er schaltete ab,
ging zu Bett und fiel schließlich in einen unruhigen Schlaf.
Als Gerhard am
nächsten Morgen ins Büro kam, lag das Ergebnis von Stuckenzeller vor. Es
bestanden keine Übereinstimmungen seiner Abdrücke mit denen auf den Augenlidern
von Draxl. Warum auch? Während Baier und Steigenberger die Mobilfunkgegner
befragen würden, wollte Gerhard dem wehrhaften Schnitzer noch mal auf den Zahn
fühlen. Irgendwas war hohl an diesem Zahn! Gestern mochte ihn dieser
Stuckenzeller ja noch vor die Tür gesetzt haben, aber heute war gschtuhlet. Die
Tage der weihnachtlichen Milde waren sowieso längst um.
Als Gerhard die
Werkstatt betrat, raunzte ihn Stuckenzeller an: »Wollens mir jetzt doch im Maul
rumfummeln?«
»Nein, ich kann
Ihnen mitteilen, dass es keine Übereinstimmung gegeben hat.«
»Das hätt ich Ihnen
auch vorher sagen können! Na, das war ja ein Hitzblaserl, das Sie mir da
geschickt haben!«
Gerhard ignorierte
den Kommentar zur Figur von Kollegin Melanie und fauchte den Schnitzer an.
»Damit sind Sie längst nicht aus dem Schneider. Sie können doch zusammen mit
anderen Mitgliedern Ihrer Anti-Mobilfunk-Kampftruppe den Mord geplant haben.
Sie wissen schon, Beihilfe.« Gerhard war sich durchaus bewusst, dass er nun sehr
unprofessionell herumspekulierte, aber er hatte das Gefühl, dass er mit etwas
Bauerntrotteligkeit weiter kam.
»Herr Kommissar,
jetzt machens mal ‘nen Punkt. In unserer Gruppierung sitzen notorische
Zwiderwurzen, ein paar nichtsnutzige Grattler und berufsmäßige Besserwisser.
Fast nur Frauen. Lehrerinnen vor allem und eine Schamanin.«
»Frau Kassandra?«,
unterbrach ihn Gerhard.
»Ja, genau die. Die
hat einen Vollbecker. Das sind alles keine Mörder.« Plötzlich lachte er laut
heraus. »Die Frau Würzer-Zweigelmeier, was eine Lehrerin ist, Sozialkunde und
Deutsch – was auch sonst bei dem Namen –, die hat ja schon Angst, wenn sie
einen Schüler auf der Straße sieht. Oder diese Kassandra. Die hat den Kölbl
höchstens verhext. Dann hätten wir noch den Rechtsanwalt von Brösig zu bieten.
Die Schwuchtel! Der würde in einer Million von Jahren nicht auf den Döttenbichl
steigen, schon gar nicht mit seinen feinen Schühchen und den
Moshammer-Maßanzügen. Gott hab den Mosi selig, ich weiß gar nicht, wo der von
Brösig jetzt seine Anzüge kauft. Sie werden noch zwei, drei Alteingesessene
finden, die zwidern von Haus aus gegen alles. Sitzen in Unterammergau im Stern
und zwidern. Wirtshaus-Parolen, aber Mörder sind das keine. Umbackt sans, mehr
nicht!«
»Nun, lieber
Stuckenzeller, dann sind Sie der Einzige, dem so was zuzutrauen ist, oder? Wenn
Sie Ihren Mitstreitern solch gute Zeugnisse ausstellen.« Gerhard schenkte ihm
ein kleines Lächeln.
Stuckenberger
registrierte den leisen Wechsel in Gerhards Sprachduktus sehr wohl. Er grinste
und seufzte theatralisch. So, wie er das gestern schon exerziert hatte, und
Gerhard bekam eine Ahnung davon, dass der Mann bei der Passion sicher brillant
war. Schauspieler, stimmt, das waren doch alles Schauspieler hier! Angefangen
mit Frau Kassandra. Gerhard beschloss, auf der Hut zu sein.
Stuckenberger
seufzte noch mal. »Vergessen Sie die Mobilfunkgegner. Sie sollten sich lieber
mal beim
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