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Weiskerns Nachlass

Weiskerns Nachlass

Titel: Weiskerns Nachlass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hein
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Professor Ferdinand Koenig verfasst, Koenig mit oe.
    »Sie sprechen mit dem falschen Mann, lieber Herr, ich heiße nicht Ferdinand, und ich schreibe mich nicht mit oe. Ein Ferdinand Koenig ist mir vollkommen unbekannt. Und überdies erstelle ich keine Gutachten, jedenfalls keine Gutachten für Kunstwerke. Ich bin Justiziar.«
    »Und wer in Ihrem Haus ist für die Gutachter zuständig?«
    »Verehrter Herr, wir sind ein großes Haus, wir haben Experten für mehr als vierzig Sparten, und ich habe keine Ahnung, aus welcher Abteilung Ihr Gutachten stammt. Ich denke, es ist besser, Sie sprechen mit meinerSekretärin. Sie wird Ihnen vermutlich helfen können. Auf Wiederhören, der Herr.«
    Stolzenburg hört ein Knacken, dann meldet sich die Sekretärin. Er erzählt ihr von den aufgefundenen Weiskern-Briefen, und sie sagt, in dem Fall sei vermutlich Magister Krebs von den Autographen zuständig, sie könne ihn allerdings nicht mit ihm verbinden, da er nur am Donnerstag und dann nur vormittags im Haus sei. Er lässt sich seine Telefonnummer geben und legt resigniert auf.
    Zwei Tage später ruft er diesen Magister Krebs an, der ihm ebenfalls sagt, er kenne keinen Gutachter Professor Ferdinand Koenig, der Name Weiskern sei ihm vertraut, schließlich gebe es eine Straße in Wien mit diesem Namen, er habe aber von irgendwelchen gerade entdeckten Briefen und einem Herrn Aberte nie etwas gehört. Stolzenburg erläutert ihm, wer Friedrich Wilhelm Weiskern war, aber erst, als er erzählt, Weiskern sei der erste Librettist von Mozart gewesen, wird der Magister neugierig, wiederholt jedoch, er habe Briefe von diesem Weiskern nie in der Hand gehabt und auch nichts davon gehört.
    »Vielleicht weiß einer Ihrer Mitarbeiter etwas? Kann es sein, dass eine andere Abteilung in Ihrem Haus die Briefe begutachtet hat?«
    »Lieber Herr, im Dorotheum bin ich für Autographen zuständig, und ich kenne sämtliche Objekte, die uns angeboten werden und die wir zur Versteigerung annehmen. Ich bin mit allen Objekten aus den letzten zwölf Jahren vertraut, jedes Objekt wurde von mir betreut, und ich, und nur ich war und bin dafür zuständig.«
    »Aber ich habe eine Kopie des Gutachtens, eine Kopie Ihres Hauses, die Aberte mir mit der E-Mail zuschickte.Das Schreiben ist vom Mai und die Versteigerung, hörte ich, soll Ende des Jahres stattfinden.«
    »Sie haben eine Kopie? Die Kopie eines Gutachtens eines Professors Ferdinand Koenig für unser Haus?«
    »So ist es.«
    »Und sie ist für unser Haus angefertigt, für das Dorotheum? Sie verwechseln uns jetzt nicht mit einem anderen Auktionshaus?«
    »Das Gutachten ist sogar auf einem Kopfbogen Ihres Hauses geschrieben. Eine Verwechslung ist ausgeschlossen.«
    »Dann wird die Angelegenheit allerdings rätselhaft. Sie besitzen tatsächlich eine Kopie dieses angeblichen Gutachtens?«
    »Ja, als Anhang einer E-Mail.«
    »Ein Gutachten mit dem Kopfbogen des Dorotheums?«
    »Ja, das sagte ich schon. Ich habe sie vor mir liegen, ich habe sie mir ausgedruckt.«
    »Darf ich Sie bitten, mir diese Kopie zu schicken?«
    »Gern. Sehr gern. Geben Sie mir bitte Ihre Adresse, ich schicke Ihnen das Gutachten.«
    »Das wäre sehr freundlich, denn ich muss Ihnen gestehen, momentan erscheint mir alles sehr mysteriös zu sein. Einen Gutachter Professor Koenig kenne ich nicht, von bisher unbekannten Briefen dieses Weiskern habe ich nie etwas gehört, und Sie können gewiss sein, an Autographen eines Librettisten Mozarts würde ich mich erinnern. Briefe von einem solchen Herrn lagen in den letzten zwölf Jahren nie unserem Haus vor. Ich müsste es wissen.«
    »Sie haben die beiden Schreiben in einer Sekunde inIhrem Computer. Und ich verlasse mich darauf, Sie geben mir Bescheid? Ich bin an den Weiskern-Manuskripten sehr interessiert, Herr Magister Krebs.«
    »Selbstverständlich. Sobald ich mir dieses angebliche Gutachten angesehen und geprüft habe, melde ich mich bei Ihnen.«
    Krebs nennt ihm seine E-Mail-Adresse und lässt sich zur Sicherheit die Telefonnummer geben. Er verspricht, da Stolzenburg ihn wiederholt fragt, ihn so bald wie möglich zu informieren.
    Stolzenburg ist ratlos. Er versendet umgehend jenes Gutachten von Professor Koenig an Magister Krebs sowie das zweite Schreiben, in dem eine Eingangssumme genannt wird, doch das Gespräch mit diesem Magister Krebs beunruhigt ihn. Warum sollte dieser Krebs die Unwahrheit sagen? Und er macht auch nicht den Eindruck, die Abläufe in seinem Haus und in seiner Sektion nicht zu

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