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Weiskerns Nachlass

Weiskerns Nachlass

Titel: Weiskerns Nachlass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hein
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bin sehr gespannt. Muss ich mit Schlips und Kragen erscheinen?«
    »Etwas besser rasieren solltest du dich. Und ein Männerparfüm wäre auch nicht schlecht. Frauen entscheiden nach dem Geruch, sogar bei Kleidern und Schuhen kann der Duft, das Aroma entscheidend sein. Der Geruch, oder sollte ich besser sagen, die Ausdünstungen der Männer, die sind’s, die können einen schwach machen oder sind eine unüberwindliche Barriere. Der Geruchssinn, der ist bei Männern offenbar verkümmert. Die meisten wissen gar nicht, wie sie riechen, und merken nicht einmal, wenn sie stinken.«
    Stolzenburg küsst sie auf die Wange, schaut auf dieArmbanduhr und macht sich rasch auf den Weg in seinen Seminarraum. Die Einladung amüsiert und freut ihn, vergnügt begrüßt er die Studenten und ist während der zwei Stunden gut gelaunt und witzig, nennt die Studenten seine hoffnungsvollen Seminaristen, lobt selbst Sebastian Hollert für einen Diskussionsbeitrag, was diesen verblüfft, da er bisher von Stolzenburg stets mit ironischen Bemerkungen abgefertigt wurde.
    Zu Hause öffnet er den Kleiderschrank und überlegt, wie er bei Marion erscheinen soll. Es ist eine Ewigkeit her, dass er sich vor den Schrank gestellt hat und unschlüssig war, was er anziehen sollte. Er versucht, noch eine Stunde zu arbeiten, doch die Zeit vergeht mit unumgänglichen Telefonaten. Um sechs ruft Patrizia an und will sich mit ihm treffen, er sagt, heute ginge das nicht, er sei verabredet. Er sagt es so unbefangen wie möglich, doch sie wird sofort eifersüchtig und erkundigt sich, ob er sich mit einer Frau treffe.
    »Ja, mit einer Kollegin«, erwidert er und ist leicht gereizt, als sie wissen will, wieso er sich am Abend mit einer Frau aus seinem Institut trifft, da er sich doch nie mit einem der Kollegen privat verabredet.
    »Schläfst du mit ihr?«
    »Mit wem? Mit meiner Kollegin? Nein, bisher habe ich noch nicht mit ihr geschlafen.«
    »Aber du bist scharf auf sie?«
    »Ehrlich gesagt, Patrizia, bin ich gar nicht mit ihr verabredet. Es geht um etwas ganz anderes.«
    »Und das ist so wichtig, wichtiger als ein Treffen mit mir?«
    »Ich hoffe, dass es wichtig ist, dass es kein verlorener Abend wird.«
    »Wir könnten uns danach sehen. Ich komme zu dir, wenn du zurück bist.«
    »Keine gute Idee, Patrizia, gar keine gute Idee. Es kann spät werden, sehr spät.«
    Sie ist verschnupft und tief beleidigt, als sie auflegt. Er schüttelt belustigt den Kopf und geht wieder an den Schrank im Schlafzimmer, um sich für den Abend umzuziehen. Bevor er das weiße Hemd überstreift, rasiert er sich sorgsam im Bad. Im Schrank unterm Becken sucht er zwischen den Fläschchen ein Parfüm heraus, das geeignet sein könnte. Er öffnet die Verschlüsse, riecht an ihnen, schließlich entscheidet er sich für eine Marke, die besonders teuer war, und betupft sich damit. Er hat bereits den Fahrradhelm in der Hand, als er es sich anders überlegt, zum Telefon greift und ein Taxi bestellt. Eine kleine verzeihliche Eitelkeit, sagt er sich, er kennt diese Jette-Henriette nicht, er weiß nicht, wie sie auf einen Gast reagiert, der mit einem Fahrradhelm zum Abendessen erscheint, und er will einen guten Eindruck machen. Eindruck schinden, sagt er grinsend, als das Taxi vor dem Haus hält und er die Wohnung verlässt.
    Marion begrüßt ihn mit einem Wangenkuss, dann schiebt sie ihn etwas zurück, um ihn zu begutachten. Sie nickt anerkennend und zufrieden: »Wir sind noch in der Küche beschäftigt. Sag Jette dort Guten Abend.«
    Sie stellt die beiden einander vor, Henriette und Stolzenburg geben sich sehr förmlich die Hand und sind verlegen. Stolzenburg bemerkt, dass auch Henriette ihn prüfend betrachtet, und er ahnt, was Marion vorhat, und weiß, sie hat die Freundin über ihre Absichten aufgeklärt. Brautschau, Pferdemarkt, sie hat ihn tatsächlich eingeladen, um ihn zu verkuppeln. Er fühlt sich unbehaglich, und es gelingt ihm nicht, locker zu sein. Dass ihm die Frau gefällt und er gern Eindruck auf sie machen würde, erhöht noch seine Unsicherheit. Er wirft Marion insgeheim vor, ihn mit derart direkten Absichten eingeladen zu haben, er hätte diese Henriette lieber zufällig kennengelernt, bei einem von Marions Geburtstagen beispielsweise, er wäre weniger verkrampft und gewiss witziger als in dem Moment, in dem diese Jette-Henriette und er genau wissen, wozu sie geladen waren.
    Marion redet unentwegt. Sie lobt den Wein, den er mitgebracht hat, füllt die Champagnergläser, und die

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