Weiskerns Nachlass
Unterschrift Maria Theresias. Gespräche mit Mozart werden in wörtlicher Rede wiedergegeben, und wenn man dem Briefschreiber glauben darf, so schätzt er Weiskern, weil er »trefliche art und styl habe und mit ihm weniger verdrüsslich zu arbeiten sey« als mit den anderen Autoren. Über Weiskerns Kollegen, schreibt er an die Mutter, habe Mozart wenig Freundliches zu sagen: »Ich weis nicht was sich unsere teutsche dichter denken. Poz himmel tausend sakristey, wenn sie schon das theater nicht verstehen, was die opern anbelangt, so sollen sie doch wenigstens die leute nicht reden lassen, als wenn schweine vor ihnen stünden, cruaten schwere noth.«
Der Komponist spricht in den Briefen wie ein mit der Wiener Gesellschaft vertrauter Bonvivant, obwohl er zu jener Zeit noch ein Kind ist, wechselt im Gespräch häufig vom Deutschen ins Französische und zitiert lateinische Klassiker. Als Weiskern von körperlichen Züchtigungen des Knaben hört und den Zwölfjährigen bedauert, habe Mozart lachend erwidert: »Invidia gloriae comes.« Stolzenburg ist die Redewendung fremd, er mussnachschlagen, um eine Übersetzung zu finden: Neid ist der Gefährte des Ruhms, eine Weisheit, die für einen Schuljungen ungewöhnlich ist, zumal der kleine Mozart in der Zeit, in der dieser Brief vorgeblich geschrieben wurde, im November 1767, keineswegs berühmt ist oder auch nur bekannt sein kann.
Weiskern selbst urteilt erstaunlich hart über das junge Genie. »Mit Amadé habe ich über hals und kopf arbeit, da muß man halt ein wenig gedult haben. Alles in Wienn schmelt über den Mozart, es kann seyn daß er auch mit mir nur ins gesicht so freundschaftlich ist – denn gemeint und geschissen ist zweyerley – aber er setzt mir halt mein buch in die Noten, und zwar so wie ich es will, auf ein haar genau, und wenig ist zu Corrigieren, und mehr verlange ich bey gott nicht von ihm.«
Bei dem Bericht über eine launige Kutschfahrt entlang der Donau – »zu Fuß ist es überall zu weit oder zu koticht, dann in Wienn ist ein unbeschreyblicher Dreck, und der Wagen stößt eynem doch die seele heraus, die Sitze hart wie Steyn« – und der Beschreibungen der Odoardo-Rolle – »ich habe eine unaussprechliche Begierde, wieder einmal eine Komödie zu schreyben, denn die Amadé Musik ist der Schlüssel, der uns wahres glück erschließt, aber die Komödien sind die Stüzen meines Arsches« – wird Stolzenburg stutzig, er liest diese Stelle sehr aufmerksam ein zweites Mal, stöbert dann in seinen Lexika, blättert in einem zweibändigen Werk zur Wiener Theatergeschichte, das er für seine Arbeit über Weiskern vor Jahren erwarb, sucht im Internet, gibt ein paar Zeilen in den Computer ein und wird schließlich fündig. Diese Textstellen wurden Wort für Wort zwei längst veröffentlichten, zeitgenössischen Berichten entnommen und machen den Betrug offensichtlich. Er ruft Hittich an, um ihn zu informieren.
»Es war doch gut, dass ich einen Blick in die Briefe werfen konnte. Und wie gut ich mir alles gemerkt habe«, sagt er zu ihm.
Hittich lacht und bedankt sich. Er lässt sich von Stolzenburg die Titel der Bücher nennen, aus denen Aberte oder vielmehr jener Frank Bärensteiner sich für seine Fälschungen bediente.
»Und nun? Was passiert mit Aberte?«
»Wir ermitteln noch. Bisher ist es wenig, nicht mehr als eine Geldstrafe, andererseits sind Fälschung und Vorgehen professionell, vielleicht steckt mehr dahinter, fortgesetzter Betrug, ein Bandendelikt, organisierte Kriminalität, wir wissen es noch nicht. Ich spreche gleich mit dem Kollegen aus Wien, es ist sein Fall, er muss das klären.«
Henriette meldet sich vier Tage später telefonisch, sie hat Opernkarten für das Wochenende bestellt und fragt ihn, ob er Zeit habe mitzukommen. Er sagt sofort zu, muss ihr aber im nächsten Moment absagen.
»Nein, tut mir leid. Ich bin am kommenden Wochenende in Flensburg.«
»Wie schön für dich. Das muss dir doch nicht leidtun. Etwas Seeluft täte mir auch gut.«
»Ich muss am Freitagabend oder Samstag früh dahin fahren, unbedingt. Meine Eltern ziehen um, und ich muss ihnen helfen. Willst du mit nach Flensburg kommen?«
»Zu deinen Eltern?« Sie lacht laut auf.
»Sehen wir uns vorher?
Henriette sagt, sie habe eine heftige Woche und komme erst spät aus dem Büro. Sie verabreden sich für die nächste Woche.
Der Besuch bei den Eltern ist anstrengend, auch körperlich anstrengend. Er kommt spätabends in Flensburg an und findet beide in guter
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