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Weiß (German Edition)

Weiß (German Edition)

Titel: Weiß (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harper Ames
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durchgedreht. Zwar hatte er keinen Schimmer, wie es dazu gekommen war, aber offensichtlich war er jetzt in der Lage dazu, sich zu rächen. Es den Leuten heimzuzahlen, die ihn bedrängt oder das Leben zur Hölle gemacht hatten. Es war fast so, wie Lydia es am Morgen gesagt hatte. Und er hatte endlich begonnen sich zu wehren!
    Eine winzige Sekunde lang blitzte in Lewin ein bohrender Funke seines Gewissens auf. Er war dafür verantwortlich, dass diese Leute tot waren. Er war ein Mörder, ob nun beabsichtigt oder unbeabsichtigt. Dieses Gefühl war unangenehm. Aber dann beruhigte er sich selbst schnell wieder. Er hatte nicht vorgehabt, den alten Mann oder den schönen Aaron zu töten. Etwas hatte die Kontrolle über ihn übernommen und er hatte keine Chance gehabt, sich zu wehren. Er hatte ja nicht einmal gewusst, was geschah. Sicher war die Sache bei Kneif eine andere, aber wenn diese Dinge ohnehin passierten und unvermeidbar waren, dann konnte er sie schließlich auch genauso gut genießen und in Gänze auskosten. Sich Kneifs zu entledigen war ein Wunsch, an dessen Geburtsstunde er sich nicht einmal mehr erinnern konnte und wer wollte es ihm da verübeln, dass er den Augenblick, in dem dieser Wunsch endlich in Erfüllung ging, aus tiefstem Herzen genoss? Und wenn man es genau nahm, würde um diesen Parasiten ohnehin niemand wirklich trauern. Er jedenfalls wollte sich nicht runterziehen lassen.
    Jetzt war seine Zeit gekommen. Zwar konnte er sich nicht erklären, woher diese Kraft in ihm stammte, aber sie war da und sie fühlte sich gut an, jetzt, da er ihr den Raum gab, den sie brauchte. Jetzt, da er sich fallen ließ und nicht länger kontrollierte. Nun konnte er die Dinge endlich selbst in die Hand nehmen. Er brauchte sich nicht länger zu verstecken, an Häuserwände zu drücken und nur noch in den heißesten Stunden des Tages umherirren. Wenn die Anderen erst wussten, welche Macht er nun hatte, würden sie alles tun, um in seiner Gunst zu stehen.
    Lewin richtete sich auf. Der Nachmittag neigte sich dem Ende zu. Er wusste, dass es noch viel zu früh war, aber er wollte jetzt zu Lydia. Er spürte, dass das unbekannte Mädchen etwas mit dieser ganzen Sache zu tun hatte. Bevor er sie getroffen hatte, war er ein ganz normaler Typ gewesen, der sich vor ein paar Schlägern in Acht nehmen musste, aber seitdem sie ihm gesagt hatte, dass er sich um die Dinge kümmern musste, die ihn quälten, hatte sich die Gesamtsituation vollkommen verändert. Er musste sie suchen und mit ihr sprechen. Wer wusste schon, ob diese geheimen Kräfte nicht eine ihm bislang unbekannte Schwäche mit sich brachten.

Neun
    Die Tür zum Laden des Rollascheks war wie gewöhnlich unverschlossen; der Raum dahinter lag im Dunkeln. Allerdings war es um diese Uhrzeit keineswegs mehr so finster wie noch am Morgen. Die Sonne hatte ihre Position verändert und schien nun durch die schmierige Fensterscheibe direkt in den Laden hinein. Zwar genügte das nicht, um jeden Winkel des Verkaufsraumes auszuleuchten, aber es reichte, um sich nicht permanent an den vollgestopften Regalen zu stoßen.
    Die Tür fiel hinter ihm ins Schloss und als das Scheppern der rostigen Klingel verstummt war, räusperte Lewin sich hörbar. Er war aufgeregt. Sein Herz schien immer weiter seinen Hals hinaufzukriechen, seine Handflächen waren feucht und seine Beine wollten sich plötzlich weigern, das Gewicht seines Körpers ohne Gegenwehr zu tragen.
    Lewin blieb vor der Eingangstür stehen und wartete. Er war davon ausgegangen, dass Lydia im Verkaufsraum auftauchen würde, sobald sie das Klingeln der Tür vernahm, aber im Halbdunkel vor ihm regte sich nichts. Plötzlich schämte Lewin sich wieder. Vielleicht war es eine dumme Idee gewesen hierher zu kommen. Wer sagte ihm, dass Lydia jetzt überhaupt Zeit und Lust hatte, ihn zu sehen. Schließlich hatte sie sich für heute Abend mit ihm verabredet. Was bildete er sich ein, hier einfach aufzutauchen und dann auch noch zu erwarten, dass sie ihm freudestrahlend um den Hals fiel.
    Einen Augenblick lang überlegte er, ob er umkehren und den Laden wieder verlassen sollte. Scheinbar hatte Lydia bisher nicht gemerkt, dass er hier war. Die Chancen unbemerkt wieder verschwinden zu können, standen also gut. Aber er entschied sich dagegen. Er wollte das Mädchen sehen. Er wollte mit ihr sprechen und hatte keine Lust damit bis heute Abend zu warten. Und irgendwie war er sich sicher, dass sie das verstehen würde.
    Lewin nahm all seinen Mut zusammen

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