Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Weiß (German Edition)

Weiß (German Edition)

Titel: Weiß (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harper Ames
Vom Netzwerk:
bis über alle Maßen volllaufen lassen und war dann vor der Hitze in den Wald geflohen. Lewin hatte das selbst schon häufiger gemacht und wusste um die entspannende Wirkung der kühlen Schatten, wenn man einen Rausch auszukurieren hatte.
    Diese Freude würde er Kneif heute nicht gönnen. Lewin dachte an die Begegnung am Morgen, an den Schlag und die Tritte, die Kneif ihm verpasst hatte und instinktiv griff er sich an seine Nase. Diese schmerzte zwar schon längst nicht mehr, aber dennoch reichte allein die Berührung aus, um in ihm einen gewissen Ärger hervorzurufen. Wie hatte er sich heute Morgen noch gewünscht, diesem drec kigen Gnom alles zurückzuzahlen. Ihm so lange in seine Visage zu schlagen, bis das schäbige Grinsen unter Knirschen und Knacken verschwunden wäre. Anscheinend war seine Chance jetzt gekommen.
    Zwar war ihm klar, dass die Situation alles andere als fair war, immerhin war Kneif bis zum Anschlag voll, aber da Lewin sich nicht sicher war, ob Kneif die Bedeutung des Wortes fair überhaupt kannte, beschloss er, seine moralischen Bedenken beiseite zu schieben. Er konnte jeden Augenblick tot umfallen, von der mysteriösen Seuche dahingerafft, und spätestens dann würde er sich ärgern, dass er diese Chance nicht ergriffen hatte.
    Lewin spitze die Lippen und stieß einen kurzen, schrillen Pfiff aus.
    Das Grölen verstummte und Kneifs knallroter Schopf erhob sich aus dem Gras der Lichtung. Fragend schaute er sich um und rief mit krächzender Stimme: „Wer ist da?“
    Langsam richtete Lewin sich auf und trat aus seinem Versteck. In Kneifs Gesicht arbeitete es einen Augenblick, doch dann blitzte Erkennen in seinen Augen auf.
    „Du bist das! Mensch Weichei, was machst du denn hier so ganz allein im Wald? Bringst du deiner Großmutter bisschen Kuchen vorbei?“ Kneif schien sich köstlich über sich selbst zu amüsieren, hielt sich den Bauch vor Lachen und feixte vor sich hin. Dann richtete er sich schwankend auf und trat Lewin entgegen. Sein sommersprossenübersätes Gesicht leuchtete rot in der Sonne. Das schweißnasse Haar klebte an seinem Schädel und schien ihn dadurch noch kleiner zu machen, wie ein nasser Hund, der plötzlich nur noch aus Haut und Knochen zu bestehen scheint. Auf Kneifs T-Shirt waren überall dunkle Flecken zu erkennen. Dem hässlichen Zwerg machte die Hitze weitaus mehr zu schaffen, als Lewin selbst.
    Als Kneif neuerlich das Wort an Lew in richtete, klang seine Stimme leiser und drohender: „Ich hab dich gefragt was du hier machst, du verdammte Sau!“ Mit spitzen Fingern griff er in seine Hosentasche und zog einen schmalen, glänzenden Gegenstand heraus. „Weißt Du, eigentlich hab ich dich früher sogar mal gemocht. Gut, vielleicht nicht gemocht, aber zumindest bist du mir nicht so auf die Eier gegangen wie jetzt!“
    Kneif zischte die Worte nur so heraus und in Lewin machte sich ein mulmiges Gefühl breit. Vielleicht war eine direkte Auseinandersetzung doch keine gute Idee gewesen. Kneif war zu allem bereit und kannte keine Scheu. Sicherlich würde er das Messer in seiner Hand auch benutzen, wenn Lewin ihm die Gelegenheit dazu gab.
    Er sah sich auf dem Waldboden nach etwas um, dass er als Waffe verwenden konnte, aber außer ein paar kleinen Stöcken und Ästen konnte er nichts entdecken.
    „Scheiße man, hast du deine Zunge verloren oder was?“ Auf einmal wirkte Kneif überhaupt nicht mehr betrunken.
    Lewin hätte ihn in Ruhe lassen sollen. Vielleicht wäre Kneif im Schlaf an einem Hitzschlag gestorben und das Problem hätte sich von allein gelöst, aber er hatte seine Klappe ja nicht halten können. Jetzt musste er schleunigst einen Ausweg aus dieser Situation finden, wenn er nicht mit Kneifs Messer im Bauch auf dem Moos einer Waldlichtung enden wollte.
    Kneif kam immer näher auf ihn zu und ließ langsam das Messer von der einen in die andere Hand gleiten. „Du weißt, dass ich dich kaltmachen werde, he?! Mit solchen wie dir mach ich kurzen Prozess. Da fackle ich gar nicht lang rum und dafür kannst du mir noch dankbar sein! Ist mir scheißegal, was die anderen sagen!“
    Plötzlich wurde Lewin wütend. Was bildete dieser zu kurz geratene Kerl sich ein? Wenn er seine sadistischen Phantasien unbedingt ausleben wollte, dann sollte er sich dafür einen Gleichgesinnten suchen. Jemanden, der darauf stand, gequält oder gefoltert zu werden.
    Zu seiner Überraschung bückte Kneif sich jetzt und hob etwas vom Boden auf. Er ließ den Gegenstand ein-, zweimal in der Hand

Weitere Kostenlose Bücher