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Weiß wie Milch, rot wie Blut - D'Avenia, A: Weiß wie Milch, rot wie Blut - Bianca come il latte, rossa come il sangue

Weiß wie Milch, rot wie Blut - D'Avenia, A: Weiß wie Milch, rot wie Blut - Bianca come il latte, rossa come il sangue

Titel: Weiß wie Milch, rot wie Blut - D'Avenia, A: Weiß wie Milch, rot wie Blut - Bianca come il latte, rossa come il sangue Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alessandro D'Avenia
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ein Traum etwas Geheimnisvolles haben, etwas, das es zu entdecken gilt. Niko weiß schon alles.
    Ich habe noch keinen konkreten Traum, aber das ist ja gerade das Schöne. Er ist dermaßen unbekannt, dass allein der Gedanke mir Magenkribbeln verursacht. Silvia hat auch einen Traum. Sie will Malerin werden. Silvia malt sehr gut, es ist ihre Lieblingsbeschäftigung. Einmal hat sie mir sogar ein Bild geschenkt. Sie kopiert berühmte Gemälde. Es ist ein schönes Bild, auf dem eine Frau sich mit einem kleinen weißen Schirm vor der Sonne schützt. Es ist ein ganz besonderes Bild, denn die Kleider und das Gesicht der Frau und die Farben sind so leicht, dass sie eins werden mit dem Licht. Es ist, als wäre die Frau aus dem Licht gemacht, vor dem sie sich schützt. Und es ist der einzige Fall, in dem das Weiß mir keine Angst macht. Mit diesem Bild hat Silvia dem Weiß ein Schnippchen geschlagen. Das gefällt mir. Nachdem meine reparaturbedürftigen Bremsen uns um Haaresbreite an mindestens einem Dutzend tödlicher Unfälle haben vorbeischlittern lassen, sind wir bei Silvia.
    »Aber meine Eltern sind dagegen. Sie meinen, das kann allenfalls ein Hobby sein, aber keine ernsthafte Zukunftsperspektive. Das ist ein steiniger Weg, nur die wenigsten haben Erfolg, und wenn man es nicht schafft, nagt man am Hungertuch. «
    Die Erwachsenen sind anscheinend nur auf der Welt, um uns Ängste unter die Nase zu reiben, die wir nicht haben. Sie sind diejenigen, die Schiss haben. Ich dagegen finde es toll, dass Silvia diesen Traum hat. Wenn sie davon redet, leuchten ihre Augen wie die des Träumers, wenn er etwas erklärt. Wie die Augen von Alexander dem Großen, von Michelangelo, von Dante … blutrote, lebenssprühende Augen … Ich finde, Silvias Traum ist genau richtig. Ich bitte sie, mir Bescheid zu sagen, wenn meine Augen leuchten, es könnte ein Hinweis auf meinen Traum sein, ohne dass ich es mitkriege. Sie verspricht es mir.
    »Wenn ich deinen Traum in deinen Augen sehe, sage ich’s dir.«
    Ich bitte sie, mir noch ein Bild zu malen. Sie verspricht es mir. Ihre Augen blitzen auf, fast wird mir warm auf der Haut. Sie blitzen himmelblau. Das ist ihr Traum. Ich habe noch keinen, aber ich spüre, dass er nicht weit ist. Woher ich das weiß? Wegen meiner Augenringe. Ich hab Augenringe, als würde ich meine Träume darin herumschleppen. Wenn ich meinen Traum finde, leere ich sie aus, und meine Augen werden strahlen …
    Ich presche davon, in den blauen Horizont, und fast ist es, als würde ich fliegen, ungebremst und ohne Träume.

B eatrice kommt noch immer nicht zur Schule.
    Auch nachmittags an der Bushalte ist sie nicht.
    Meine Tage sind leer.
    Sie sind weiß, wie die Tage Dantes, als er Beatrice nicht mehr sah.
    Ich habe nichts zu sagen, denn wo keine Liebe ist, versiegen die Worte.
    Die Seiten werden weiß, dem Leben ist die Tinte ausgegangen.

I ch habe endlich mit dem Träumer gesprochen.
    »Wie findet man seinen Traum? Aber wehe, Sie verarschen mich.«
    »Such ihn.«
    »Wie denn?«
    »Stell die richtigen Fragen.«
    »Was soll das heißen?«
    »Lies, mach die Augen auf, interessier dich … tu alles mit Verve, Leidenschaft und Hingabe. Hinterfrag alles, was dich in den Bann zieht und begeistert, frag, weshalb es dich begeistert. Dort liegt die Antwort auf deinen Traum. Nicht unsere Launen zählen, sondern unsere Leidenschaften.«
    Soweit der Träumer. Ein Rätsel, wie der auf solche Sätze kommt. Ich muss herausfinden, was mir wichtig ist. Doch das kostet Zeit und Mühe, und es nervt …
    Ich versuche es mit der Träumer-Methode. Ich muss von dem ausgehen, was ich bereits weiß. Musik ist mir wichtig. Niko ist mir wichtig. Beatrice ist mir wichtig, Silvia ist mir wichtig, mein Moped ist mir wichtig, mein unbekannter Traum ist mir wichtig. Mein Vater und meine Mutter sind mir wichtig, wenn sie mir nicht auf den Sack gehen. Was noch … reicht vielleicht … Das ist zu wenig, da muss noch mehr sein. Ich muss mich dahinterklemmen, herausfinden, was es noch gibt, und dann die richtigen Fragen stellen.
    Ich habe mich gefragt, wieso Silvia mir wichtig ist. Ich habe mir gesagt, weil ich sie gern habe, weil ich will, dass sie ihre Träume wahrmacht, weil ich innerlich ganz ruhig werde, wenn ich mit ihr zusammen bin, wie damals, wenn meine Mutter mich im überfüllten Supermarkt an die Hand genommen hat. Wieso Niko? Ich habe mir geantwortet, weil ich mich mit ihm wohlfühle. Ich muss nichts erklären. Ich werde nicht kritisiert. Übrigens,

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