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Weiß wie Milch, rot wie Blut - D'Avenia, A: Weiß wie Milch, rot wie Blut - Bianca come il latte, rossa come il sangue

Weiß wie Milch, rot wie Blut - D'Avenia, A: Weiß wie Milch, rot wie Blut - Bianca come il latte, rossa come il sangue

Titel: Weiß wie Milch, rot wie Blut - D'Avenia, A: Weiß wie Milch, rot wie Blut - Bianca come il latte, rossa come il sangue Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alessandro D'Avenia
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Welt einsam und alleingelassen fühlt wie ich. Ohne Beatrice, die stirbt, ohne ein Haar. Ohne Beatrice, die es nicht schafft. Und ich habe die andere Hälfte meines Traums noch nicht einmal wiedererkannt. Ich bin vor dem Mädchen weggerannt, das ich ein Leben lang beschützen wollte. Ich bin ein Feigling.
    Es gibt mich nicht.
    Es gibt keinen Gott.

P lötzlich wache ich auf. Glücklich. Es war nur ein Traum. Beatrice geht es gut. Sie hat rotes Haar. Und ist mein wahrer Traum. Und Gott gibt es, auch wenn ich nicht an ihn glaube, aber was soll’s. Dann höre ich eine Stimme:
    »Leo?«
    Ich schrecke auf und kenne das Gesicht nicht. Ich bin nicht in meinem Bett. Jack Sparrow sieht nicht mit irrem Blick von der Zimmerwand auf mich herab, und ich sterbe vor Kälte. Ich bin auf meiner Bank, und vor mir steht Silvia mit einem Polizisten. Das muss ein Traum sein. Mein magischer Ort, Silvia und ein Bulle?! Ich starre ins Leere.
    »Geht es dir gut?«, fragt Silvia mit schlaf- und vielleicht tränenverquollenen Augen. Ich starre sie verständnislos an.
    »Nein.«
    Der Bulle nuschelt in etwas hinein, das ich im Dunkeln nicht erkennen kann.
    »Gefunden.«
    Silvia setzt sich neben mich, legt mir den Arm um die Schulter, drückt mich sanft und sagt:
    »Lass uns heimgehen.«
    Ich schaue in den schwarzen Fluss, in dem sich die Lichter spiegeln wie gefangene Fische. Meine Seele ist jetzt genauso. Davongewehte Fische aus Papier. Gefangen im Wasser. Sie kehren nicht zurück. Und »Heim« ist ein Wort wie jedes andere auch, schlimmer noch: Wer weiß, was mich dort erwartet. Ich lege den Kopf auf Silvias Schulter und heule los, weil ich böse bin.

I ch will keine Musik machen. Ich will nichts essen. Ich will nicht reden. Ich strafe mich für das, was passiert ist. Richtig so, ich hab’s nicht anders verdient. Papa und Mama waren verzweifelt, als ich wieder nach Hause gekommen bin: geschwollene Augen, verstörte Gesichter. Ich habe sie noch nie so gesehen. Und das meinetwegen. Es war vier Uhr morgens. Aber ich habe erreicht, was ich wollte. Endlich habe ich einen Weg gefunden, mich gegen den giftigen Skorpion Wirklichkeit zur Wehr zu setzen. Hass ist die einzige Möglichkeit, noch giftiger zu sein als dieser Skorpion. Ein blitzschneller Hass, wie das Feuer, das Stroh und Papier verschlingt, der alles niederbrennt, das in seine Nähe kommt, und je mehr er erfasst, desto heftiger wird er. Böse sein. Einsam sein. Feuer sein. Eisen sein.
    Das ist die Lösung. Zerstören und widerstehen.

F ünf Stunden Schule. Fünf Stunden Krieg. Ich habe der Hundepelz-Massaroni gesagt, sie kann mich mal, als sie mich gefragt hat, was ich mit dem Handy mache. Eintrag ins Klassenbuch. In der Englischstunde war ich auch nicht dabei, aber keiner hat’s gemerkt. Während der Philostunde habe ich in Snake einen neuen Rekord aufgestellt, während der Träumer von irgendeinem erzählt hat, der meinte, der Tod existiere nicht, denn wenn man lebt, gebe es keinen Tod, und wenn man tot sei, sei man tot, also gebe es ihn auch nicht.
    Wieder einmal ein unfassbarer Schwachsinn. Beatrice hat gelebt, und jetzt stirbt sie. Wie dieser Dichter gesagt hat: »Den Tod/ verbüßt man/ im Leben.« Ich habe das immer für Dichtergeschwafel gehalten, aber es ist leider wahr. Beatrice ist nicht wiederzuerkennen, oder vielmehr: Ich habe sie nicht wiedererkannt. Der Tod vergiftet alles Lebendige. Die Philosophie ist für die Katz. Im T9 gibt es das Wort »Gott« nicht, also gibt es Gott nicht. Und um nicht darüber nachdenken zu müssen, bleibt nur Snake.
    Dann hat der Träumer seine Tasche aufgemacht, aus der er jedwedes Buch hervorzaubern kann, als wären es Gamma-Shorts. Manchmal hat er tatsächlich was von einem Außerirdischen. Oft schaut er in die Bücher noch nicht mal rein, er lässt sie auf dem Pult liegen. Er meint, Bücher seien für ihn ein Stück Heimat, wo sie sind, fühlt er sich zu Hause. Die Bücher … was für eine Scheiße! All diese Seiten voller Geschichten und Träume sind nicht annähernd die Nummer des Krankenhauszimmers wert, in dem sich Beatrice in ein kleines Mädchen zurückverwandelt, das in den Bauch der Erde zurückkehrt: verschluckt.
    Der Träumer liest die Briefe einiger zum Tode verurteilter Widerständler vor, eine seiner Außerplanmäßigen. Ich weiß nicht, wie er das macht, aber er hat immer irgendetwas zu sagen, vor dem man nicht weghören kann. Wieso lässt er mich nicht in Ruhe? Ich höre nur hin, weil ich nicht anders kann und man die Ohren

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