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Weiß wie Milch, rot wie Blut - D'Avenia, A: Weiß wie Milch, rot wie Blut - Bianca come il latte, rossa come il sangue

Weiß wie Milch, rot wie Blut - D'Avenia, A: Weiß wie Milch, rot wie Blut - Bianca come il latte, rossa come il sangue

Titel: Weiß wie Milch, rot wie Blut - D'Avenia, A: Weiß wie Milch, rot wie Blut - Bianca come il latte, rossa come il sangue Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alessandro D'Avenia
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Frauentoiletten. Papa zischt mir zu:
    »Nicht mal den Staub des Schattens deiner Knochen lasse ich von dir übrig.«
    Also suspendiert man mich für einen Tag und droht mir mit einer schönen, fetten Sechs in Betragen, was bedeuten würde, dass ich das Jahr wiederholen muss. Die Strafe meiner Eltern geht mir am Hintern vorbei: sofortige Beschlagnahmung der Playstation bis zum Jahresende und Streichung des Taschengeldes. Das ist nichts im Vergleich dazu, wie mich die Mädchen am Tag nach der Suspendierung anglotzen und sich über mich lustig machen:
    »Da ist der Perverse!«
    »Arme Sau!«
    Und das ist noch nichts im Vergleich zu dem, was ich mir von den Jungs anhören muss:
    »Schwulette, du gehörst auf die Toilette mit dem schwarzen Männchen ohne Rock auf der Tür, vielleicht sollten wir noch einen kleinen Schniedel dranmalen, damit du weißt, was du zwischen den Beinen hast!«
    Kann jemand mir vielleicht sagen, wie man von diesem Karussell des Grauens wieder herunterkommt? Oder zumindest, ob es ein Handbuch gibt, wie man unsichtbar wird?

E inen ganzen Tag lang starre ich die Hände des Gitarristen von Green Day auf dem Poster an meiner Zimmertür an. Ich fange an, einen Tennisball draufzuwerfen, bis das Poster ein Loch hat und der Gitarrist Krüppel ist.
    Ich warte auf zwei Dinge:
    Dass jemand mich rettet oder zumindest die Welt in exakt diesem Moment endet.
    Das zweite ist einfacher.
    Telefon: Niko.
    »Pirat, wir haben gewonnen! Das nächste Spiel entscheidet übers Finale … Der Vandale hat schon die Hosen voll!«
    Ich lege auf und hoffe, dass das Bett mich ohne zu kauen verschluckt.

E s klingelt. Es klingelt an der Tür. Es ist für mich. Wer kann das sein, abends um neun? Silvia. Bestimmt ist sie nach meinen dreiundzwanzig SMS weich geworden, die ich ihr heute geschickt habe, um die Peinlichkeit der vorhergehenden wieder wettzumachen …
    »Komm runter.«
    Sie ist es.
    »Mamma, ich gehe kurz runter. Es ist Silvia.«
    Ich gehe runter, aber da wartet keine Silvia auf mich. Ich habe mir ihre Stimme nur eingebildet, so überzeugt war ich, dass sie es sein muss. Es ist der Träumer. Scheiße. Das hat gerade noch gefehlt. Bestimmt will er mir auch noch reinreiben, was für eine nichtsnutzige Lusche ich bin.
    » ’ n Abend, und, was hab ich ausgefressen?«, frage ich und starre auf einen unbestimmten Punkt an seiner linken Schulter.
    Er lächelt.
    »Ich dachte, ich komme mal vorbei, vielleicht hast du ja Lust, unsere Unterhaltung von neulich zu Ende zu führen.«
    Na bitte, ich hab’s gewusst. Pauker bleiben einfach Pauker, selbst vor der Haustür müssen sie einen unterrichten.
    »Vergessen wir doch die Unterhaltung von neulich …«
    Ich weiß wirklich nicht, was ich sagen soll, und will nur, dass das hier sofort aufhört, wie immer, wenn mir etwas nicht schmeckt. Man schaltet um, und die Szene ist weg. Verschwunden, ausgeknipst, vorbei.
    »Lass uns ein Eis essen gehen.«
    Er lächelt mich an. Ja, genau das hat er gesagt: ein Eis . Lehrer essen Eis. Sie essen Eis und haben dabei genauso einen verschmierten Mund wie jeder Normalsterbliche auch. Zwei Erkenntnisse, die ich mir merken muss, vielleicht schreibe ich eines Tages darüber. Übrigens:
    »Ihr Blog ist schön, manchmal ein bisschen zu philosophisch, aber wenn ich dazu komme, lese ich ihn.«
    Er bedankt sich und leckt weiter an seinem Pistazien-Mokka-Eis – echte Lehrergeschmacksrichtungen – und erinnert mich an Terminator, der meine Tennisschuhe ableckt.
    »Also, was war los neulich?«
    Ich wusste, er würde nicht lockerlassen. Lehrer sind wie Boas, kaum passt man mal nicht auf, wickeln sie einen ein, dann warten sie, bis man ausatmet, und drücken zu, bei jedem Atemzug ein bisschen stärker, bis der Brustkorb einknickt und man erstickt.
    »Was interessiert Sie das?«
    Der Träumer sieht mir in die Augen, und nur mühsam halte ich seinem Blick stand.
    »Vielleicht brauchtest du Hilfe, einen Rat …«
    Ich schweige. Den Blick gesenkt. Ich starre auf den Asphalt, als wäre jeder Zentimeter Bitumen plötzlich hochinteressant. Irgendetwas in mir hat genau darauf gewartet, es will raus, aber es hockt in seinem Winkel, wehrt sich und hat Angst, zum Vorschein zu kommen, denn wenn es das tut, würde es den Typen mit den strubbeligen Haaren und dem verschmitzten Blick mit reinziehen, und zwar so, dass es ihn eine Menge salziges Wasser in Form von Tränen kosten würde. Also starre ich weiter auf die Erde, aus Furcht, dieses Etwas könnte aus mir herauskommen

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