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Weiß wie Milch, rot wie Blut - D'Avenia, A: Weiß wie Milch, rot wie Blut - Bianca come il latte, rossa come il sangue

Weiß wie Milch, rot wie Blut - D'Avenia, A: Weiß wie Milch, rot wie Blut - Bianca come il latte, rossa come il sangue

Titel: Weiß wie Milch, rot wie Blut - D'Avenia, A: Weiß wie Milch, rot wie Blut - Bianca come il latte, rossa come il sangue Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alessandro D'Avenia
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Briefes, den wir an Beatrice geschrieben hatten.«
    Meine Seele fügt sich wieder zusammen. Wie durch ein Wunder sind all die Papierfetzen, die der Fluss mit meiner Wut und Feigheit verschluckt hatte, wieder da, zusammengefügt durch ein Wunderwerk Silvias, die diese Worte aufgehoben hat.
    »Wieso hast du ihn aufgehoben?«
    Silvia antwortet nicht sofort. Fast zärtlich spielt sie mit dem Rand des Blattes. Dann flüstert sie, ohne mich anzusehen, dass sie ihn schön fand, dass sie es schön fand, ihn noch mal zu lesen, und sich gewünscht hat, dass ihr Freund ihr eines Tages auch so etwas Schönes schreiben würde. Silvia blickt mich suchend an, und zum ersten Mal sehe ich ihr richtig in die Augen.
    Es gibt zwei Arten, einen Menschen anzusehen. Man kann die Augen als Teil des Gesichtes sehen, oder man kann die Augen sehen und basta, als wären sie das Gesicht. Wieder so eine Sache, bei der einem mulmig werden kann, denn die Augen sind das Leben in klein. Ringsum weiß, wie das Nichts, in dem das Leben schwebt, die Iris farbig, wie die grenzenlose Vielfalt, die es bestimmt, und in der Mitte das Schwarz der Pupille, das alles verschluckt, wie ein finsterer, farb- und bodenloser Brunnenschacht. Und genau dort habe ich mich reingestürzt, als ich Silvia angesehen habe, in den tiefen Ozean ihres Lebens, und zugleich habe ich sie in meines gelassen: in meine Augen. Doch habe ich ihrem Blick nicht standgehalten. Silvia schon.
    »Wenn du willst, schreiben wir ihn noch mal, und dann kannst du ihn Beatrice bringen. Wir können auch zusammen hingehen.«
    Silvia hat meine Gedanken gelesen.
    »Anders würde ich es gar nicht packen«, antworte ich mit einem derart breiten Lächeln, dass meine Mundwinkel fast meine Augen berühren.
    Dann haben wir uns ans Lernen gemacht, und wenn Silvia einem was erklärt, wird alles leichter: Das Leben wird fasslicher.

D er Träumer fragt mich ab. Ich habe mich mit Silvia darauf vorbereitet. Nach dem Geplänkel von neulich rechnen alle mit einem knallharten Duell, denn niemand außer Silvia weiß, dass dazwischen ein Eis und eine Million Kubikmeter Tränen liegen. Wird schon glattgehen. Schließlich ist der Träumer inzwischen so eine Art Freund. Stattdessen stellt er mir sauschwere Fragen, und ich sehe ihn fest an und sage:
    »Aber das steht nicht im Buch.«
    »Na, und?«, antwortet er, ohne sich aus der Ruhe bringen zu lassen.
    Ich schweige. Er schaut mich ernst an und sagt, er habe mich für klüger gehalten, aber ich sei auch nur der typische Schüler, der die Sachen auswendig lernt und bei der ersten ein bisschen anderen Frage aus dem Konzept gerät.
    »Die wichtigen Antworten stehen zwischen den Zeilen, es ist an dir, sie zu lesen!«
    Für wen hältst du dich eigentlich, Träumer, dass du meinst, mir das Leben versauen zu können? Du glaubst wohl, du weißt alles, dabei interessiert es mich einen Scheißdreck, wie du die Dinge siehst! Du siehst sie so und sonst niemand. Und jetzt hör gefälligst auf, mir mit deinem Gigaschwachsinn auf die Eier zu gehen, und frag mich ab wie jeden anderen auch. Ich will ihm gerade an den Kopf werfen, dass er mich mal kann und rausgehen, da sagt er:
    »Rennst du weg?«
    Ich muss an Beatrice denken und an meine Flucht aus dem Krankenhaus. In mir rührt sich etwas, der Mensch, zu dem ich mich ein paar Abende zuvor entwickelt habe, kriecht aus seiner Höhle. Also antworte ich ihm. Und nicht mit den Schimpftiraden bockiger Kinder. Ich antworte ihm wie ein Mann. Ich kriege ein »sehr gut«, zum ersten Mal in meinem Leben. Die Note bezieht sich nicht auf Geschichte. Sie bezieht sich auf meine Geschichte, auf mein Leben.

B eatrice ist wieder zu Hause. Die Knochenmarkstransplantation ist schiefgegangen. Der Krebs will nicht heilen, und ihr rotes Blut verwandelt sich weiter in Weiß, das durch ihre Adern fließt. Eine der gefährlichsten Giftschlangen der Welt kann einen mit ihrem Gift unter entsetzlichen Qualen töten. Das Gift zersetzt das Gewebe der Blutgefäße. Das Blut läuft einem aus Nase und Ohren, sämtliche Adern verflüssigen sich, bis man stirbt.
    Genau das geschieht mit Beatrice. Beatrice, dem wunderbarsten Wesen, das es auf der Welt gibt. Beatrice, die erst siebzehn ist und die schönsten roten Haare der Menschheitsgeschichte hat. Beatrice mit den strahlendsten grünen Augen des Universums. Beatrice, die um ihrer Schönheit willen lebt, um sie der Welt zu zeigen und diese allein durch ihre Existenz zu einem besseren Ort zu machen.
    Die verdammte weiße

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