Weissbier im Blut - Ein Kriminalroman aus dem bayerischen Unterholz
ist mein Leben. Ich kann gar nichts dagegen tun. Ich will auch nichts dagegen tun.«
»Solang es bei einem blauen Auge bleibt, ist das ja alles noch im grünen Bereich.«
»Ach, ich bin auch schon heftiger vermöbelt worden. Aber das nehm ich in Kauf. Ich will leben, mich lebendig fühlen.«
»Natürlich.«
»Früher hab ich immer gehofft, dass ich mit jeder gescheiterten Beziehung wenigstens in meinem Fach weiterkomm. Dass ich als Psychologin dazulern. Aber es wird alles immer verwickelter und verworrener.«
»Vielleicht haben Sie sich ein bisserl zu sehr auf Beziehungskisten spezialisiert.«
»Meinen Sie?«
»Es gibt auch noch andere Aufgaben.«
Er war stehen geblieben und sah nach vorn. Seine Begleiterin folgte seinem Blick. Moritz hatte drei Schwäne entdeckt und traktierte sie mit Steinen. Flatternd und kreischend flüchteten sie zum Wasser und zwei davon schafften es auch. Der dritte blieb auf der Seite liegen und bewegte nur noch schwach einen Flügel. Der Bub packte ihn am Kopf und am Hals und murkste ihn mit einer ruckartigen Drehung ab. Die März war entsetzt.
»Was ist denn das?«
»Demnächst wohl ein Braten.«
»Aber das ist doch… Wilderei. Oder nicht?«
»Ich weiß nicht, wem die Schwäne gehören.«
»Vermutlich der Stadt. Wir müssen schaun, dass wir hier wegkommen. Sonst holt noch jemand die Polizei.«
Sie kicherte hysterisch. Moritz brachte den Schwan. Er hatte ihn am Hals gepackt wie an einem Henkel und schleifte ihn hinter sich her. Der Kopf baumelte kläglich herab.
»Das sind Außerirdische, Spock. Einen hab ich erwischt. Wir müssen das Schutzschild aktivieren.«
»Schutzschild aktiviert.«
»Du musst ihn untersuchen. Wir müssen wissen, von welcher Galaxy die sind.«
Der Kommissar nahm das Tier in Empfang. Die März war verstummt. Sie hatte nun wohl auch ein Schutzschild aktiviert und ihren Radar eingeschaltet.
Der Versuch, den Schwan in einer am Kiosk organisierten Plastiktüte zu verstauen, scheiterte. Der Vogel ließ sich nicht zusammenfalten. Spock wollte ihn in den Papierkorb stopfen, aber dagegen protestierte Käptn Kirk. Es half nichts, das Tier musste mit. Die März achtete darauf, einen gehörigen Abstand zu den beiden zu halten, als sie mit dem toten Schwan durch die nette kleine Straße marschierten, in der ihr hübsches Reihenhaus war.
Erst als der Kofferraumdeckel über dem toten Vogel zugefallen war, gesellte sie sich wieder dazu.
»Der Tee ist längst kalt, und ich glaub, Sie wollten sowieso keinen.«
»Nein. Ich wollte nur, dass Sie Superman mal kennenlernen.«
»Hat er nicht eben noch Käptn Kirk geheißen?«
»Käptn Kirk, Superman, Power Ranger… wo ist der Unterschied?«
»Woher kennen Sie ihn denn?«
»Ich hab seinen Vater verhaftet.«
»Wegen was?«
»Mordverdacht.«
»Auweia.«
»Aber er war’s nicht. Das wissen wir inzwischen. So wie es aussieht, war es der rote Power Ranger.«
Das Gesicht der März war weiß wie Schnee, als sie den Buben ansah. Er erwiderte ihren Blick, keck und herausfordernd wie ein Lausbub.
Sie willigte ein mitzufahren, als Kreuzeder den Knaben heimbrachte zu seiner Mutter. Aber sie bestand darauf, auf der Rückbank zu sitzen, schräg hinter dem Kleinen. Da hockte sie dann mit eingezogenen Schultern, ängstlich nach vorne linsend, und brachte keinen Ton mehr heraus.
Der Kommissar legte eine CD ein, Motetten von Pachelbel, Jauchzet und Singet dem Herrn. Schließlich noch den Kanon in D. Er kannte keine Musik, die mehr mit der Welt versöhnte als Pachelbels Kanon in D. Selbst die hässlichen grauen Betonquader an der nordöstlichen Ausfallstraße von Passau, in denen Menschen Tag und Nacht mit Motorenlärm, Auspuffgestank und Fernsehserien gefüttert wurden, verloren ihren Schrecken bei diesen Klängen. Sie waren nur noch ein garstiges Traumgespinst. Pachelbel öffnete die Herzen. Alles wurde richtig und alles wurde gut. Wenn erst die Kaufhäuser und Supermärkte die Wirkung dieser Musik entdeckten, würden sie sicher Pachelbel spielen, und die Leute würden kaufen, kaufen, kaufen. Sie würden in der Kirche sogar dem Pfarrer den Spruch abkaufen: »Wir können nicht wissen, was Gott mit uns vorhat.«
Nur die März blieb bei Pachelbel starr und steif und wurde mit ihrem Grauen nicht fertig. Am Holznerhof trottete sie wie eine mechanische Puppe hinter Kreuzeder und dem Buben her. Die Holznerin saß vor dem Fernseher und reagierte nicht sonderlich auf die Eintretenden.
»Grüß Gott, Frau Holzner.«
»S’
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