Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)
Verwalter eine Erklärung für ihren stürmischen Auftritt. „Denken ... Sie sich nur“, stammelte sie und ihre Rehaugen begannen zu strahlen, „denken Sie sich nur, der junge Herr ist angekommen!“
Erleichtert stellte Stein die Waffe zurück und machte sich unverzüglich auf den Weg zum Pferdestall. Der Köchin erteilte er überflüssigerweise den Befehl, ein Nachtmahl für den Spätankömmling herzurichten. Elsi winkte nur ärgerlich ab und stob in Richtung Küche davon.
„Der junge Herr von Klotz“, brummte Stein nachdenklich. Was mochte den Grafensohn bewogen haben, eine so späte Stunde für seine Ankunft zu wählen – es war ja quasi mitten in der Nacht? Dem Verwalter kam die Angelegenheit äußerst seltsam vor.
Bereits vor drei Wochen hatte Stein damit gerechnet, dass der Graf in einem Brief mitteile, Johann von Klotz wolle seine vorlesungsfreie Zeit auf Hohen-Lützow verbringen, jedoch als der Brief ausblieb, war er davon ausgegangen, dieses Jahr habe der junge Herr andere Pläne. Es war nicht ungewöhnlich, auch auf Gütern Erfahrungen für den Beruf des Landwirtes zu sammeln, die nicht zum eigenen Besitz zählten. Und der Graf dürfte über beste Kontakte verfügen, seinen Sohn an erste Adressen zu vermitteln.
Steins Dienstherr und auch dessen ältester Sohn Johann, der Erbe des Grafen, hatten Besuche auf Hohen-Lützow ausnahmslos angekündigt, Überraschungen liebte der Graf nicht. Stein waren keine weiteren Familienmitglieder der Herrschaft persönlich bekannt, aber er wusste, die Familie bewohne in der großherzoglichen Residenz Ludwigslust ein respektables Anwesen.
Zerknirscht erinnerte er sich, welche Aufregung unter den Mägden geherrscht hatte, sobald ein gräflicher Aufenthalt bevorstand. Die Putzwut grassierte wie eine Seuche und steckte alle an, die ihren Dienst im Herrenhaus ableisteten. Tagelang durfte kein männliches Wesen die gespänten und gebohnerten Dielen der Bibliothek und des Salons betreten. Sogar sein Arbeitszimmer im bescheidenen Verwalterhaus hatte das diktatorische Putzvolk auf den Kopf stellen wollen. Durch das herrschaftliche Haus waren Düfte von Hirschbraten und Hefekuchen geweht. Frisches Brot war gebacken worden, natürlich aus extra fein gemahlenem Weizenauszugsmehl, weil der Herrschaft das hier übliche Schrotbrot nicht zuzumuten war. Und zu guter Letzt war sogar das zum Herrenhaus gehörende Aborthäuschen von bisher geduldeten Bewohnern gesäubert worden. Die fleißigen Spinnen waren jedoch so dreist, bereits neue Netze zu weben, bevor ein herrschaftliches Auge einen Blick auf den einwandfreien Zustand des Örtchens hätte werfen können. Zumindest war es dann immer frisch gekalkt und auf eine neue Grube gesetzt worden.
Desto lebhafter die Erinnerungen aufstiegen, umso ungewöhnlicher erschien die nächtliche Ankunft des jungen Herrn. Steins Gedanken drifteten zurück zu den Büchern, Argwohn machte sich breit und bot Anlass zu Spekulationen: Sollte der Graf seinen Sohn als Aufpasser geschickt haben, damit ihm, Hermann Stein, Versagen bei der Verwaltung und Leitung des Gutes nachgewiesen werde? Musste er sich darauf einstellen, der junge Herr schaue ihm ab sofort über die Schulter?
Stein war ein erfahrener Mann. Er verstand sein Fach. Von Kindesbeinen an war er mit dem Betrieb von Landgütern vertraut und hatte den Beruf des Landwirts von der Pike auf gelernt. „Nun, der Graf hat mich zum Verwalter seines Gutes gemacht, weil ich hervorragende Referenzen vorzuweisen habe“, sagte er halblaut, sich Mut zusprechend. Unwillkürlich nahm er die Schultern zurück. Zugleich kam er nicht umhin, sich einzugestehen, Hohen-Lützow und die bereits einige Jahre andauernde Agrarkrise seien Herausforderungen, an denen er ebenso gut scheitern könnte. Kurz darauf wischte er die unerfreulichen Gedanken fort. Eben wurde ein Tor des Pferdestalls geöffnet. Ein freundlicher Lichtkegel fiel auf den Wirtschaftshof. Stein beschleunigte seine Schritte und lenkte seine Aufmerksamkeit auf die Dinge, die ihn dort erwarten sollten.
Die Luft im Stall war im Gegensatz zur frischer gewordenen Nacht angenehm warm und mit den Gerüchen von Dung, Häckselstroh und Pferdeschweiß angefüllt. Zwei Stalllaternen beleuchteten den Mittelgang, sie ließen kaum Licht durch die Tiefen der Boxen dringen. Die Tiere waren unruhig und streckten neugierig die Köpfe vor. Einige stampften ungeduldig und schüttelten sich, drückten so ihren Unmut über die nächtliche Störung aus.
Der Beschäler
Weitere Kostenlose Bücher