Weiße Nana / Mein Leben für Afrika
Wasser, und so konnte ich früher schwimmen als laufen. Mein Opi brachte mir Fahrradfahren bei, las mir Bücher vor und hörte Musik mit mir. Er war mein Vater und mein Großvater in einer Person. Was ich heute bin und kann, das verdanke ich meinen Großeltern.
Ich war noch sehr klein, da wollten meine Großeltern meiner Mutter helfen, vom Alkohol loszukommen, und meldeten sie mit ihrem Einverständnis in einer Spezialklinik zur Entziehung an. Doch noch am Tag ihrer Ankunft beschloss meine Mutter, das Ganze abzubrechen. Sie sagte, sie wolle nicht so lange von mir getrennt sein, und ließ sich nicht umstimmen. Mein Großvater hat ihr das sehr übel genommen.
Für mich brach eine schwierige Zeit an. Sosehr meine Großeltern auch verhindern wollten, dass ich unter der Situation litt, war ich doch stets hin- und hergerissen zwischen ihnen und meiner Mutter. Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass einmal am selben Tag zwei wichtige Veranstaltungen stattfanden, und ich sollte entscheiden, ob ich lieber mit meinen Großeltern gehen wollte oder mit meiner Mutter. Das war typisch für den Konflikt, in dem ich von Anfang an steckte.
Als ich zwölf Jahre alt war, hatten meine Mutter und meine Großeltern einen riesigen Streit, und die Folge war, dass sie den Kontakt zueinander vollkommen abbrachen. Wieder stand ich vor der Entscheidung, zu wem ich halten sollte. Ich entschied mich für meine Mutter, ich konnte sie einfach nicht im Stich lassen.
Die Jahre, die auf diesen dramatischen Bruch mit meinen Großeltern folgen sollten, waren mit die schwersten in meinem Leben. Meine Mutter versank immer mehr in ihrer Trunksucht und war kaum noch ansprechbar. Wie oft geschah es, dass ich nach Hause kam, die Wohnungstür war abgeschlossen, und der Schlüssel steckte von innen, so dass ich nicht hinein konnte. Meine Mutter lag völlig besinnungslos auf ihrem Bett und hörte mein Klingeln und Klopfen nicht. Das waren fürchterliche Stunden, und noch heute dreht sich mir der Magen um, wenn ich an diese schrecklichen Szenen denke. Wenn meine Mutter dann irgendwann endlich zu sich kam und die Tür öffnete, schlug mir dichter, kalter Zigarettenrauch entgegen. Bis jetzt blieb mir davon eine Aversion gegen Raucher, das kann ich einfach nicht ertragen.
In dieser Atmosphäre war es mir unmöglich, mich auf die Schule zu konzentrieren, und so kam es, dass ich in der achten Klasse des Gymnasiums zwei Fünfen im Schuljahrszeugnis hatte. Die Klasse wiederholen oder auf die Realschule wechseln? Ich entschied mich für Letzteres.
In dieser Zeit war ich viel zu sehr mit mir selbst und vor allem der Situation zu Hause beschäftigt. Richtige Auseinandersetzungen hatte ich mit meiner Mutter nicht, das war mit ihr einfach nicht möglich. Wenn sie trank, dann war sie so gut wie abwesend, sie tat nichts mehr, weder kochen noch sonst irgendetwas. Und das hat mich wahnsinnig gemacht. Ich weiß noch, wie ich einmal ihren Schnaps weggoss und die Flasche mit Wasser auffüllte und wie sauer sie danach auf mich war.
Diese Stimmung zu Hause belastete mich enorm. Damals begann ich, viel Zeit auf einem Reiterhof zu verbringen. Ich liebe die Natur und besonders die Tiere. Ja, ich bin wahnsinnig tierlieb, und es bereitete mir große Freude, mich um die Pferde und Ponys zu kümmern. In diesen Stunden mit den Pferden war ich glücklich. Der Reiterhof wurde zu meiner Zuflucht vor dieser schrecklichen Situation zu Hause, und ich liebte nichts so sehr, wie auf dem Rücken meines Pflegepferdes Nathan über die Wiesen und Felder zu galoppieren.
Dennoch bestand ich nach zwei Jahren die mittlere Reife mit guten Noten, denn eigentlich war ich auf der Realschule völlig unterfordert. Das kann es doch nicht gewesen sein, dachte ich prompt. Mein Ehrgeiz erwachte, und ich beschloss, das Abitur zu machen.
Ja, in dieser Zeit habe ich mich richtig aufgerappelt. Ich wusste, dass sich etwas grundlegend ändern müsste, wollte ich das Abitur schaffen. Doch das Zusammenleben mit meiner Mutter war so schwierig geworden, dass ich nicht bei ihr bleiben konnte. Es war mir unmöglich, in dieser Atmosphäre zu lernen, und so zog ich mit siebzehn in meine erste eigene Wohnung, ein kleines Einzimmerapartment. Dass dies finanziell möglich war, verdankte ich der Waisenrente, die ich nach dem Tod meines Vaters bezog, der mich schließlich als leibliches Kind anerkannt hatte.
Damals entwickelte ich eine Eigenschaft, die mir auch heute noch bei meiner Arbeit für Madamfo Ghana zugutekommt
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