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Weißer Fluch: Band 1 (German Edition)

Weißer Fluch: Band 1 (German Edition)

Titel: Weißer Fluch: Band 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holly Black
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kam.
    Das Klingeln war zu schrill. Mir wurde schwindelig. Als die Mutter sich meldete, legte ich auf. Dann ging ich hinter den Laden und kotzte mir die Seele aus dem Leib.
    Großvater steht auf. » Was hältst du davon, wenn du oben mit dem Badezimmer anfängst? Ich kaufe ein. «
    » Vergiss nicht, Milch mitzubringen « , sage ich.
    » Mein Gedächtnis ist intakt « , kontert er und nimmt seine Jacke.
    Die Bodenfliesen im Badezimmer sind teilweise gesprungen und an einer Wand lehnt ein billiger weißer Schrank. Er enthält Dutzende löchriger Handtücher, die nicht zusammenpassen, und bernsteinfarbene Plastikfläschchen mit Tabletten darin. Auf dem Regal darunter stehen verkrustete Gefäße mit dunklen Flüssigkeiten und diverse Puderdosen.
    Während ich seidige Babyspinnen-Nester aus den Ecken der Dusche entferne und klebrige, zumeist leere Shampooflaschen wegwerfe, denke ich immer weiter an Lila.
    Bei unserer ersten Begegnung waren wir beide neun. Ihre Eltern standen kurz vor der Trennung; sie zog mit ihrer Mutter zu ihrer Großmutter in die Pine Barrens. Sie hatte wuschelige blonde Haare, ein blaues und ein grünes Auge, und ich wusste von Großvater nur, dass ihr Vater ein bedeutender Mann war.
    Lila verkörperte alles, was man von der Tochter des obersten Bosses des Zacharov-Clans erwarten konnte, oder von einem Mädchen, das mit einer einzigen Berührung ihrer nackten Hand Albträume bescherte. Sie war hoffnungslos verwöhnt.
    Mit neun schlug sie mich gnadenlos bei Videospielen und erklomm Hügel und Bäume in einer solchen Geschwindigkeit, dass ich immer drei Schritte hinter ihren langen Beinen her hinkte. Wenn ich versuchte, ihre Puppen zu klauen und zu verstecken, biss sie mich. Die Hälfte der Zeit wusste ich nicht, ob sie mich hasste, selbst wenn wir Wochen damit verbrachten, uns unter den Zweigen einer Trauerweide zu verstecken, ganze Zivilisationen in den Schmutz zeichneten und wieder zerstörten wie grausame Götter. Doch ich war schnelle, gemeine Brüder gewohnt und betete Lila an.
    Dann ließen ihre Eltern sich scheiden, und ich sah sie erst wieder, als wir beide dreizehn waren.
    Großvater kommt mit mehreren Einkaufstüten zurück, als es gerade wieder anfängt zu regnen. Er hat vorwiegend Scheuermilch, Küchenrollen und Bier gekauft. Und Fallen.
    » Die sind eigentlich für Waschbären, aber Katzen gehen auch « , sagt er. » Außerdem sind sie tierfreundlich– steht auf der Packung–, also kein Grund, sich in die Hose zu machen. Eine Guillotine ist nicht dabei. «
    » Wie nett « , sage ich und hieve sie aus dem Kofferraum.
    Ich soll sie allein in die Scheune bringen. Die Katzen sind da drin, ich kann ihre glänzenden Augen sehen, als ich den ersten Metallkäfig mit der Schwingtür aufstelle. Ich öffne eine Dose mit Futter und schiebe sie in die Falle. Als hinter mir etwas sanft über den Boden huscht, drehe ich mich um.
    Die weiße Katze steht nur einen Meter entfernt und leckt sich mit der rosa Zunge über die spitzen Zähne. Im Licht des Nachmittags bemerke ich, dass ihr linkes Ohr eingerissen ist. Dunkelroter– frischer– Schorf zieht sich über ihren Nacken.
    » Hier, Miez, Miez. « Der Quatsch kommt automatisch aus meinem Mund, als ich eine weitere Dose öffne. Die Katze zuckt zusammen, als der Deckel aufspringt, und ich merke, wie angespannt ich bin. Als würde sie gleich mit mir reden. Aber die Katze ist nichts als eine Katze. Nur ein unterernährtes streunendes Tier, das in einer Scheune lebt und demnächst in die Falle geht.
    Ich strecke eine behandschuhte Hand aus, sie schreckt zurück. Schlaues Kätzchen.
    » Hier, Miez, Miez « , sage ich.
    Die Katze kommt langsam näher. Sie schnuppert an meinen Fingern, und als ich die Luft anhalte, reibt sie ihren Kopf an meiner Hand; weiches Fell, zuckende Schnurrhaare und die Spitzen ihrer Zähne, die sich in meine Haut bohren.
    Ich stelle die Futterbüchse hin und schaue zu, wie sie daran schleckt. Doch als ich wieder die Hand ausstrecke, um sie noch einmal zu streicheln, faucht sie und macht mit gesträubtem Fell einen Buckel. Sie sieht aus wie eine Schlange.
    » Schon besser « , sage ich und tätschele sie trotzdem.
    Sie folgt mir ins Haus. Ihre Schulterblätter ragen aus ihrem Rücken und ihr weißes Fell ist schmutzig. Ich lasse sie trotzdem in die Küche kommen und gebe ihr Wasser in einem Martiniglas.
    » Du bringst doch nicht etwa dieses dreckige Tier mit rein, oder? « , fragt mein Großvater.
    » Das ist eine Katze, Großvater,

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