Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Weißer Fluch: Band 1 (German Edition)

Weißer Fluch: Band 1 (German Edition)

Titel: Weißer Fluch: Band 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holly Black
Vom Netzwerk:
keine Kakerlake. «
    Er mustert sie skeptisch. Sein T-Shirt ist eingestaubt; er gießt Bourbon in ein großes Limoglas aus Plastik mit eingebautem Strohhalm. » Was willst du mit einer Katze? «
    » Nichts. Keine Ahnung. Sie sieht hungrig aus. «
    » Lässt du sie alle ins Haus? « , fragt Großvater. » Wetten, dass sie halb verhungert sind? «
    Ich grinse. » Immer nur eine, versprochen. «
    » Dafür hab ich diese Fallen aber nicht gekauft. «
    » Ich weiß « , sage ich. » Du hast die Fallen gekauft, damit wir die Katzen einfangen, zehn Meilen entfernt auf einem Feld aussetzen und dann wetten, welche zuerst wieder hier ist. «
    Er schüttelt den Kopf. » Räum lieber weiter auf, du Klugscheißer. «
    » Ich habe diesen Arzttermin um– « , setze ich an.
    » Hab ich nicht vergessen. Mal sehen, wie viel du schaffst, bis du los musst. «
    Achselzuckend gehe ich mit einem Stapel Faltkisten und Paketband ins Wohnzimmer. Dort baue ich die Kartons auf und hole die Mülltonne von draußen. Dann fange ich an zu entrümpeln.
    Die Katze schaut mit glänzenden Augen zu.
    Werbewurfsendungen für Amulette und ein alter Fellmuff, der aussieht, als hätte er die Räude, wandern als Erstes in den Müll. Taschenbücher kommen ins Regal, es sei denn, ich möchte sie lesen oder sie sind zu zerfleddert. Ich werfe auch einen Korb mit Lederhandschuhen fort, von denen einige aneinanderkleben, weil sie zu nah an der Heizung waren.
    Ich kann noch so viel wegwerfen, es wird trotzdem nicht weniger. Die Haufen gehen ineinander über, und ich weiß nicht mehr, wo ich zuletzt war. Ich finde Dutzende von zusammengeknüllten Plastiktüten. In einer steckt ein Paar Ohrringe, an denen noch das Preisschild hängt, in anderen finden sich Stoffproben oder Butterbrotkrusten.
    Außerdem überall Schraubenzieher, Muttern und Schrauben, mein Zeugnis aus der Fünften, der Güterzugbegleitwagen eines Spielzeugzuges, ein paar Rollen mit bezahlt -Klebeetiketten, Magnete aus Ohio, drei Vasen mit Trockenblumen und eine mit Plastikblumen, ein Pappkarton mit kaputten Schmuckstücken und eine klebrige Schweinerei aus etwas, das dunkel auf einem uralten Radio geschmolzen ist.
    Als ich einen staubbedeckten Luftentfeuchter hochhebe, fallen Fotos aus einer Schachtel auf den Boden.
    Die Frau auf den schwarz-weißen Pin-ups trägt Sommerhandschuhe, die bis zum Handgelenk reichen, ein Vintage-Korsett und Nylonhöschen. Sie ist wie Bettie Page frisiert, kniet auf einem Sofa und lächelt den Fotografen an. Man sieht seine Finger auf einem der Bilder; er trägt einen teuer aussehenden Ehering über dem schwarzen Handschuh. Ich kenne die Frau auf den Fotos.
    Mom sieht echt klasse aus.
    Meine kriminelle Begabung entdeckte ich, als Mom mich– und nur mich– zu einer Kirschlimo einlud. Es war ein glühend heißer Sommertag und die Ledersitze in ihrem Auto waren heiß von der Sonne. Sie brannten unangenehm an meinen nackten Beinen. Mein Mund war schon kirschrot, als wir an einer Tankstelle hielten und dann hintenrum fuhren, als wollte Mom den Luftdruck der Reifen messen.
    » Siehst du das Haus da? « , fragte sie mich und zeigte auf ein Gebäude im Ranchstil, mit Aluminiumverkleidung und schwarzen Jalousien.
    » Ich möchte, dass du durch das Fenster hinten an der Treppe einsteigst. Quetsch dich durch und nimm den braunen Briefumschlag vom Schreibtisch. «
    Wahrscheinlich habe ich Mom angestarrt, als hätte ich sie nicht richtig verstanden.
    » Das ist ein Spiel, Cassel. Mach es so schnell du kannst, ich stoppe die Zeit. Komm, gib mir deine Limo. «
    Ich denke, ich wusste, dass es kein Spiel war. Doch ich rannte los und zog mich an einem Vorsprung hoch. Dann flutschte ich mit der knochenlosen Anmut kleiner Kinder durchs Fenster. Der braune Umschlag lag genauso da, wie Mom gesagt hatte, neben Papierstapeln mit Kaffeebechern voller Bleistifte, Lineale und Löffel. Auf dem Schreibtisch stand auch eine kleine Katze aus Glas, die aussah, als wäre sie von innen aus glitzerndem Gold. Die Klimaanlage trocknete den Schweiß auf meinem Rücken und an meinen Armen, als ich die Skulptur gegen das Licht hielt. Ich steckte die Katze in die Tasche.
    Als ich Mom den Briefumschlag brachte, trank sie gerade ein Schlückchen von meiner Limo.
    » Hier « , sagte ich.
    Sie lächelte. Ihr Mund war jetzt auch kirschrot. » Gute Arbeit, Schätzchen. « Da begriff ich, dass sie mich nur anstelle meiner Brüder mitgenommen hatte, weil ich der Kleinste war. Aber es machte mir nichts aus, weil mir

Weitere Kostenlose Bücher