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Weißer Fluch: Band 1 (German Edition)

Weißer Fluch: Band 1 (German Edition)

Titel: Weißer Fluch: Band 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holly Black
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mehr verschlafen, sondern ungeduldig. » Du bist sein Bruder? Er hat ziemlich viele Sachen hiergelassen. «
    » Er ist vergesslich. « Barron war immer schon vergesslich, aber im Augenblick kommt mir jedes Vergessen verdächtig vor. » Ich kann sein Zeug abholen. «
    » Ich hab es schon mit der Post losgeschickt. « Auf einmal ist sie verschlossen, und ich frage mich, was zwischen den beiden gelaufen ist. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Barron wegen eines Mädchens das Studium schmeißt, aber ich kann mir sowieso nicht vorstellen, warum Barron Princeton hat sausen lassen. » Ich hatte die Nase voll davon, dass er ewig versprochen hat, er würde herkommen, und dann doch nie aufgetaucht ist. Er hat mir noch nicht mal die Postgebühren erstattet. «
    Mein Verstand rast. » Die Adresse, an die du seine Sachen geschickt hast– hast du die noch? «
    » Klar. Bist du wirklich sein Bruder? «
    » Es ist meine Schuld, dass ich nicht weiß, wo er ist « , lüge ich spontan. » Nachdem Dad gestorben ist, hab ich mich unmöglich benommen. Wir haben uns bei der Beerdigung gestritten, und ich bin nicht ans Telefon gegangen, wenn Barron anrief. « Ich staune über mich selbst, weil meine Stimme automatisch an genau den richtigen Stellen hakt.
    » Oh « , sagt sie.
    » Ich möchte ihm nur sagen, wie leid mir das Ganze tut « , schmücke ich meine Geschichte weiter aus. Ich weiß nicht, ob es so klingt, als wollte ich mich entschuldigen. Ich spüre eher eine Art kaltes Grauen.
    Durch den Hörer raschelt Papier. » Hast du einen Stift? «
    Ich schreibe mir die Adresse auf die Hand, danke ihr und gehe zurück zum Haus. Dort finde ich meinen Großvater beim Stapeln von Postkarten, die er hinter einer Kommode gefunden hat. Glitzerstaub klebt an seinen Handschuhen. Sonderbar, wie leer die Räume ohne den ganzen Schrott aussehen. Ich höre das Echo meiner Schritte.
    » Hey « , sage ich. » Ich bräuchte noch mal das Auto. «
    » Wir müssen oben noch ein Zimmer aufräumen « , sagt er. » Und die Terrasse und das Esszimmer, außerdem müssen wir in den fertigen Zimmern noch alles einpacken. «
    Ich wedele mit dem Handy herum, als wäre es an allem schuld. » Der Arzt will noch weitere Tests machen. « Lüge so lange, bis du es selbst glaubst– das ist das wahre Geheimnis guter Lügner. Die einzige Möglichkeit, sich nicht zu verraten.
    Schade, dass ich noch nicht so weit bin.
    » Dachte ich mir doch, dass es darum geht « , sagt er mit einem tiefen Seufzer. Ich erwarte, dass er mich zur Rede stellt und sagt, er habe längst mit dem Arzt geredet oder ihm sei von Anfang an klar gewesen, was da alles nicht stimmt. Doch er sagt nichts dergleichen, sondern greift lediglich in seine Jackentasche und wirft mir die Schlüssel zu.
    Mein Amulett liegt nicht am Boden von Großvaters Buick, es klemmt auch nicht in irgendeiner Ritze. Ich finde nur eine zerknitterte Take-out-Tüte. An der Tankstelle kaufe ich drei Schokoriegel und Kaffee. Während ich an der Kasse warte, bis der Typ mit dem Wechselgeld zurückkommt, programmiere ich Barrons neue Adresse in das GPS auf meinem Handy. Er wohnt jetzt in Trenton in einer Straße, die ich nicht kenne.
    Es ist nur eine vage Ahnung, dass all die sonderbaren Dinge– mein Schlafwandeln, Mauras widersprüchliche Erinnerungen, die Tatsache, dass Barron ohne etwas zu sagen die Uni geschmissen hat, ja sogar das vermisste Amulett– irgendwie zusammenhängen.
    Doch als ich aufs Gas trete und der Wagen schneller fährt, habe ich zum ersten Mal seit langem das Gefühl, dass die Richtung stimmt.
    Die Feier von Lilas vierzehntem Geburtstag fand in der City in einem großen Hotel statt, das ihrem Vater gehörte. Es war einer dieser Anlässe, an denen viele Fluchwerker zusammenkamen, Umschläge die Runde machten, die nur in der Theorie etwas mit der Party zu tun hatten, und wo über Dinge geredet wurde, die jemand wie ich besser nicht mitbekam. Eine Stunde, bevor es losgehen sollte, bestellte Lila mich auf ihr Hotelzimmer. Sie trug tonnenweise Glitzer-Make-up und ein zu großes T-Shirt mit einem comicmäßigen Katzengesicht. Ihr Haar war nicht mehr pinkfarben, sondern blond und punkig.
    » Ich hasse das alles « , sagte sie und setzte sich aufs Bett. Ihre Hände waren nackt. » Ich hasse Partys. «
    » Dann ertränk dich doch in einem Eimer Champagner « , schlug ich freundlich vor.
    Sie beachtete mich gar nicht. » Komm, wir machen uns Ohrlöcher. Ich will deine Ohren durchstechen. «
    In ihren Ohren steckten

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