Weißer Mann mit Brille
Georges Bodet, Yettes Ehemann.
»Was, Sie hat man hierhergeschickt?« wunderte sich Graux.
Captain Philps, der dazugekommen war, stellte sich dem Neuankömmling mit militärischer Strammheit vor, wie es seine Art war.
»Die ganze Nacht durch war ich unterwegs«, brummte Bodet.
»Manchmal sah man die Augen der wilden Tiere vor dem Wagen aufleuchten, und der Neger hatte noch größere Angst als ich.«
»Warum ist Costemans nicht selbst gekommen?«
Bodet zuckte die Achseln.
»Haben Sie mir nicht gesagt, daß er nicht alle Tasse im Schrank hat? Gestern, an meinem ersten Arbeitstag, hat er mich um sechs Uhr morgens ins Büro beordert. Als ich um elf meine Krawatte und meine Jacke ausziehen wollte, knurrte er mich in seinem Brüsseler Tonfall an:
›Wo meinen Sie eigentlich, daß Sie sind, junger Mann? Auf der Kermeß aber bestimmt nicht, merken Sie sich das!‹«
»Baligi!« rief Graux. »Servier uns ein Bier auf der Barza …«
Aus dem Zimmer ertönte Lady Makinsons Stimme, die nach Philps verlangte, da sie nicht mitbekommen hatte, was draußen vorging.
»Ist er das?« fragte Bodet und zeigte auf den Captain, der im Haus verschwand.
Er brüllte einen Befehl auf Bengala, und der schwarze Fahrer brachte ihm eine mit Papieren vollgestopfte Aktentasche.
»Auf Ihr Wohl … Ich sterbe vor Durst!«
Auch die Hitze machte ihm zu schaffen! Das Wasser rann ihm aus allen Poren. Er atmete schwer, trank gierig sein Bier, das seine Schweißausbrüche und seine Atemnot noch verschlimmern würde.
»Als Ihr Läufer eintraf …«
»Wo ist er denn abgeblieben?«
»Wir haben ihn zwanzig Kilometer von hier abgesetzt, wo ein Bruder von ihm lebt, den er besuchen wollte. Costemans hat sofort nach Stanleyville telefoniert. Man teilte ihm dort mit, daß überhaupt kein Privatflieger um die Erlaubnis nachgesucht habe, Belgisch-Kongo zu überfliegen, daß also seit Anfang des Jahres auch keine Erlaubnis erteilt wurde …«
»Was folgt daraus?«
»Daraus folgt«, sagte Bodet kläglich, »daß ich damit beauftragt bin, eine Untersuchung durchzuführen und den Abflug der Maschine zu unterbinden.«
»Das wird nicht schwer sein. Sie hat keinen Propeller mehr.«
»Man hat mir einen Fragebogen mitgegeben. Wissen Sie, ob Lady Makinson überhaupt einen Paß mit einem gültigen Visum hat? Ich muß mich auch vergewissern, ob sie, falls sie Waffen an Bord mitführen, eine ordnungsgemäße Zollerklärung ausgefüllt haben …«
»Wie geht es Ihrer Frau?«
»Schlecht! Gestern wollte sie Madame Costemans ihre Aufwartung machen. Diese hat ihr durch die Ordonnanz sagen lassen, daß sie sie einladen würde, sobald es ihr möglich wäre, sie zu empfangen. Sie wissen ja, wie Yette ist. Als sie auf der Barza wartete, hörte sie, wie die andere hinter der Tür flüsterte. Da hat sie ihr etwas zugerufen, so etwa in dem Stil:
›Wenn das so ist, kannst du mich gern haben, du alte Zicke!‹«
Mit düsterer Miene schenkte sich Bodet ein weiteres Glas Bier ein, dann erhob er sich und fragte:
»Kann ich mit Lady Makinson sprechen?«
Graux begnügte sich damit, auf die Zimmertür zu deuten. Da es hier nichts mehr für ihn zu tun gab, nutzte er die Zeit, um den Motor und die Ackus am Wasserfall zu überprüfen.
Er wußte zwar, daß man ihn rufen würde, aber er hätte nicht gedacht, daß man ihn so lange warten ließ. Während einer ganzen Stunde begutachtete er den Motor. Um nicht untätig herumzustehen, trat er ans Fenster und sah den Schwarzen zu, die an der Trasse für das Flugzeug arbeiteten. Die Sonne hatte die Wolken durchbrochen, aber sie stand als trübe, matte Scheibe am Himmel, deren Licht eher grau als golden zu nennen war.
Graux befand sich in einer Gemütsverfassung, die ihm verhaßt war. Obwohl er sie nur allzugut kannte, hätte er sie nicht zu beschreiben vermocht. Es war ein Zustand der Erwartung, beinahe ein Gefühl der Bangigkeit. Irgend etwas in ihm war hellwach, spürte eine Katastrophe hereinbrechen, zumindest etwas, das er als solche empfand.
Was er als Katastrophe bezeichnete, war der Verlust seines seelischen Gleichgewichts, ein Zustand der Verwirrung, den ein unvorhergesehenes Ereignis in ihm auslöste, so daß ihm seine ruhige Gelassenheit abhanden kam.
Er hing selbstquälerischen Gedanken nach. Am meisten graute ihm davor, als rechter Tölpel dazustehen.
Als er zu Lady Makinson gesagt hatte …
Was sollte diese sinnlose Warterei, wobei er sich den Anschein gab zu arbeiten? Wenn Camille ihn hier überrascht hätte,
Weitere Kostenlose Bücher