Weißer Mann mit Brille
sich beinahe übereifrig und rief mit abgewandtem Gesicht:
»Baligi! … Baligi …«
Sie warteten etwa eine Minute, ohne das Geringste zu vernehmen. Man hätte meinen können, das junge Mädchen sei gar nicht da. Doch ganz unvermittelt stand sie vor ihnen. Sie trug ihr weißes Kleid mit den blauen Punkten, das sich über ihren Busen spannte. Sie blickte sie fragend, verschüchtert an.
»Du brauchst keine Angst zu haben …«, sagte Ferdinand auf bengala zu ihr. »Du bist ein liebes, kleines Mädchen …«
Seine Worte zauberten ein Lächeln auf ihr Gesicht. Sie wandte sich zur weißen Frau.
»Spricht sie Französisch?«
»Ein wenig«, entgegnete Baligi selbst mit einem drolligen Akzent.
»Nun, Kleine, dann hol mir doch den Whisky und die Thermosflasche aus dem Zimmer …«
Erst als Graux dem Mädchen mit den Augen bedeutete, daß der Befehl von ihm gebilligt wurde, tänzelte sie davon, ohne selbst so recht zu wissen, was sie so freudig erregte.
»Ein liebes Ding …«, sagte Lady Makinson.
Sie schenkte sich Whisky ein. Baligi verschwand wieder in der Küche.
»Ich biete Ihnen wohl besser keinen an, wie?«
»Nein, danke.«
»Woran denken Sie?«
»An die Kaffeesträucher.«
»Das stimmt nicht.«
»Ich versichere Ihnen, daß mir das Problem der Einfuhrgenehmigung und der Zuschüsse zu den Transportkosten nicht aus dem Kopf geht. Davon hängt hier alles ab.«
»Sie sind sicher froh, wenn wir weg sind?«
»Sie können so lange hierbleiben, wie es nötig ist …« Sie murmelte zwei Wörter in einer ihm unbekannten Sprache, vermutlich einem indischen Dialekt. Sie hatte ihm ja erzählt, daß sie einen Teil ihrer Kindheit in diesem Land verbracht hatte.
»Inzwischen dürfte Philps in Niangara eingetroffen sein …«
»Nein, erst in einer Stunde, die Straße ist nämlich schlecht.«
»Ist der Ort groß?«
»Im Prinzip leben dort vier Weiße: der Administrator und sein Stellvertreter, den Sie ja kennengelernt haben, der Doktor, der fast ständig unterwegs ist, und der Missionar, der mit seinem Motorrad durch den Busch braust.«
»Fahren Sie oft dorthin?«
»Höchstens einmal im Jahr.«
»Und zur Elefantenfarm?«
»Nur wenn ich dort zu tun habe, um mir einen Elefanten auszuleihen, oder wenn ich einen Rat brauche … Im Laufe von sechs Jahren bin ich nur dreimal dort gewesen.«
»Sehen Sie denn nie andere Menschen?«
»Alle fünf oder sechs Monate kommt jemand hier vorbei …«
»Störenfriede wie wir, die Ihr Zimmer in Beschlag nehmen?«
»Manchmal schlafe ich auch im Busch.«
»Verdienen Sie denn viel Geld?«
»Bis jetzt habe ich vierhunderttausend Francs in die Plantage gesteckt, aber vielleicht wird es mir gelingen, sie wieder zu erwirtschaften …«
»Liegt Ihnen viel daran?«
»Woran?«
»Am Geldverdienen.«
»Ich lege schon Wert darauf, meinen Kaffee zu verkaufen, vor allem wenn er in die zweite Kategorie eingestuft wird …«
»Was ist denn das?«
»Es würde zu weit führen, Ihnen das zu erklären …«
»Na, dann vielen Dank!«
»Ich wollte Sie nicht kränken.«
Ein Glockenzeichen ertönte. Lady Makinson zuckte zusammen.
»Ein Besuch?«
»Nein! Das Mittagessen. Wollen Sie es nicht mit uns einnehmen? Captain Philps ist ja nicht da, um Ihnen Ihre Lieblingsgerichte zuzubereiten …«
Sie sah ihm herausfordernd ins Gesicht und schickte sich an aufzustehen, ohne an ihr krankes Bein zu denken.
»Warten Sie … Wir schieben den Liegestuhl bis zum Tisch …«
Am Brunnen stand Camille, wusch sich die Hände, benetzte einen Kamm und fuhr sich damit durch das struppige Haar.
»Faß mal mit an, Camille …«
In der Mitte des Tisches, der mit einem rotgewürfelten Tuch gedeckt war, thronte eine ausladende bemalte Suppenschüssel.
»Nach Möglichkeit vermeiden wir Dosennahrung, daher essen wir zweimal täglich Suppe. Wollen Sie welche?«
Sie blickte fasziniert auf zwei kleine Serviettentaschen aus weißem Leinen, jede mit einer Initiale bestickt. Camille steckte sich seine Serviette in den Hemdkragen. Auch das Silberbesteck war mit einer Initiale versehen.
In dem Raum, den die Barza gegen die Sonne schützte, war es beinahe kühl. Hier herrschte ein wohltuendes Dämmerlicht, das der Widerschein auf den Backsteinen rosarot färbte.
»Haben Sie alles selber entworfen?«
»Ich habe auch alles mögliche selber gemauert, installiert, verlegt. Haben Sie schon die Bibliothek gesehen?«
In seiner Stimme schwang ein wenig Ironie mit. Er sagte auf:
» Die Kleine Enzyklopädie …
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