Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Weißer Mann mit Brille

Weißer Mann mit Brille

Titel: Weißer Mann mit Brille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
Vom Netzwerk:
wäre er vor Scham errötet, denn Camille wußte, daß es keinen Grund gab, am Motor herumzubasteln.
    » Hello …! « rief eine Stimme, die ihm besonders zuwider war, die von Captain Philps.
    Er wandte sich zum Bungalow. Philps, den Tropenhelm auf dem Kopf, die Hände als Trichter vor dem Mund, rief in allen Richtungen nach ihm.
    » Hello, Graux!«
    Er trat langsam ins Freie, und der Captain erklärte ihm, nachdem er einen kurzen Blick in das Maschinenhaus geworfen hatte:
    »Lady Makinson wünscht, daß ich persönlich nach Niangara fahre, um die Telegramme aufzugeben. Dieser Angestellte hat einfach lächerliche Instruktionen bekommen, und Lady Makinson will sich in London beschweren …«
    Bodet kam völlig aufgelöst aus dem Zimmer, bedeutete Graux, daß er ihm etwas unter vier Augen zu sagen habe.
    »Sie ist wütend!« flüsterte er. »Sie soll mit dem englischen Königshaus verwandt sein. Ich muß mich aber an meine Instruktionen halten. Sie verstehen doch …«
    »Haben Sie Captain Philps’ Papiere gesehen?«
    »Ja.«
    »Eine zwielichtige Existenz?«
    »Nein, ganz und gar nicht! Er ist der Nachkomme von Philps & Philps, den großen Reedern und Schiffsmaklern in Neuseeland. Wir sind einem ihrer Schiffe im Mittelmeer begegnet. Ich habe getan, was ich konnte …«
    Er trank noch eine ganze Flasche Bier, bevor er mit Philps wegfuhr, der den Wagen selber steuern wollte.
    Die Zimmertür stand noch einen Spaltbreit offen. Er vernahm Lady Makinsons Stimme:
    »Monsieur Graux? … Sind Sie da, Monsieur Graux?«
    Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. Er trat in den Raum, sah mit Verwunderung, daß sie mit ihrem eingegipsten Bein auf der Bettkante saß.
    »Was tun Sie da?«
    »Helfen Sie mir auf … Rufen Sie Ihren Angestellten …«
    »Was haben Sie denn vor?«
    »Ich möchte mich mit Ihnen auf die Barza setzen … Ich ersticke in diesem Zimmer … Wo bleibt nur Ihr Angestellter?«
    Zu zweit trugen sie sie ins Freie, betteten sie in einen Liegestuhl. Sie dehnte sich wohlig, verharrte eine ganze Weile mit geschlossenen Augen, ohne ein Wort zu sagen, so daß Ferdinand Muße hatte, ihr Gesicht zu betrachten.
    Wiederum beschlich ihn das Gefühl, daß etwas aus dem Gleichgewicht geraten war … Sonst vermochte ihn doch nichts aus der Ruhe zu bringen, weder das Gesicht von Emilienne Tassin, seiner Verlobten, noch die pikanteren Züge seiner Schwester, die immer lachte, und auch nicht die Gesichter seiner Kusinen …
    Er hatte nie die Bekanntschaft mit anderen Frauen gesucht, eben weil er um seine Gelassenheit fürchtete, die für ihn lebensnotwendig war. Als Emilienne ihn einmal fragte, ob er vor ihr andere Liebschaften gehabt hätte, hatte er ihr ohne Umschweife erklärt:
    »Nur Frauen, die ich dafür bezahlt habe.«
    Das war viel weniger riskant!
    Lady Makinsons Lider waren so zart, daß er die Bewegung der Augäpfel sah, die Pupille erahnte. Ihre Nasenflügel bebten. Vielleicht hatte sie sich eben doch zu sehr angestrengt, oder waren es die Schmerzen?
    Sie war feingliedrig, aber nicht in der Art der blutarmen Mädchen, die er bislang gekannt hatte. Ganz im Gegenteil, man spürte, daß sie gesund und kräftig war. Ihre glatte Haut, die Sonne gewöhnt war, schimmerte in einem warmen Goldton.
    Was aber Ferdinand am tiefsten anrührte, war die zauberhafte Verbindung von Jugendfrische und fraulicher Reife. Er wußte, daß sie zwei Kinder hatte, von denen eines ein achtjähriges Mädchen war. Doch die Mutterschaft hatte bei ihr nicht dieselben Spuren hinterlassen wie bei seiner eigenen Mutter oder bei seinen Tanten …
    Etwas anderes machte ihm zu schaffen: Von frühester Kindheit an war für ihn eine Frau, die ein Kind geboren hatte, keine Frau mehr, sondern nur noch Mutter, was sie gleichsam zu einem unberührbaren Wesen abstempelte.
    In dieser Nacht aber war das Licht im Zimmer erloschen, und Captain Philps hatte es erst zwei oder drei Stunden später verlassen!
    Diese Vorstellung ließ ihn nicht los, und in seiner Naivität glaubte er in den Schatten unter ihren Augen noch die Spuren ihrer Liebesnacht erkennen zu können.
    »Sind Sie mir immer noch böse?« fragte sie schließlich lächelnd, bevor sie die Augen öffnete.
    Sie wartete seine Antwort nicht ab. Sie war nun hellwach, schüttelte ihr rötliches Haar aus dem Gesicht.
    »Ich möchte Sie um Verzeihung bitten. Jetzt ist es vorüber. Ich gerate ganz selten in Wut, aber diese Beamten mit ihren Vorschriften … Na, Schwamm darüber … Philps wird alles in Ordnung

Weitere Kostenlose Bücher