Weißer Mann mit Brille
bringen … Morgen wird man sich offiziell bei uns entschuldigen … Geben Sie mir doch bitte eine Zigarette.«
Sie blickte ihm nach, als er das Platinetui holte, das so flach war, daß es geradezu unvorstellbar schien, es könne Zigaretten enthalten.
»Rauchen Sie denn nie? Sie trinken wohl auch keinen Alkohol? Menschliche Schwächen beurteilen Sie sicher ohne jede Nachsicht, oder? Und ganz besonders die Schwächen der Frauen … Geben Sie ruhig zu, daß Sie mich nicht leiden können …«
»Sie irren sich!«
»Wie ernst Sie alles nehmen! Setzen Sie sich doch … Gehaben Sie sich einen Augenblick lang nicht als der mustergültige Siedler, der unablässig seine Pflanzungen inspiziert … Leben Sie schon lange hier?«
»Sechs Jahre.«
»Und immer allein?«
»Mit Camille.«
»Nun, er ist ja ein braver Junge, aber doch recht beschränkt. Was treiben Sie denn so den ganzen Tag?«
Er wies auf die Pflanzungen ringsherum, auf die Elefanten, die man auf dem Hügel arbeiten sah, auf seine Werkanlagen.
»Ist das alles?«
»Ich lese auch Bücher.«
»Und das ist alles? Sind Sie dabei glücklich?«
»Ja.«
Er hatte im Brustton der Überzeugung geantwortet, so daß sie ihn mit neuer Aufmerksamkeit, ja fast mit Besorgnis betrachtete.
»Ist das auch wahr? Wirklich wahr?«
»Ja.«
»Und Sie haben keinerlei Wünsche?«
»Nein, überhaupt keine.«
»Und da ist kein Platz für die Liebe?«
»Meine Verlobte kommt in drei Monaten nach, dann werden wir heiraten.«
Er wandte den Blick ab, aus Furcht, daß sie sich zu weit in seine Gedanken- und Gefühlswelt vorwagte.
»Sie wünschen sich also doch etwas … Sie haben mich angeschwindelt …«
Er wollte eben verneinen, da stieg ihm das Blut zu Kopf, und er starrte lange Minuten völlig verstört auf den roten Ziegelboden.
Dabei wäre dieses ›Nein!‹, das er schon auf den Lippen hatte, durchaus aufrichtig gewesen! Er hegte keinerlei Wünsche, er sehnte sich nur nach Ruhe, die er eines Tages bestimmt wiederfinden würde. Er hatte sich nur deshalb zur Heirat entschlossen, weil er sicher war, daß sich Emilienne von selbst in diese stille Welt einfügen würde, aber merkwürdigerweise verspürte er keine Sehnsucht nach ihr.
Seine Beklemmung wuchs, als Lady Makinson nach einer Pause sagte:
»Ich wette, sie ist eine Kusine von Ihnen oder eine Kindergespielin.«
Eine Kindergespielin, das allerdings! Und auch fast eine Kusine, denn sie hatten gemeinsame Verwandte.
»Wie kommen Sie darauf?«
»Das versteht sich doch von selbst!«
»Aber warum nur?«
»Einfach so«, sagte sie kopfschüttelnd. »Geben Sie mir noch eine Zigarette. Ich bin ganz sicher, daß Ihre zukünftige Frau Nichtraucherin ist. Wissen Sie, was man bei einer Durchsuchung der Maschine gefunden hätte? Ein halbes Pfund Opium und zwei Pfeifen … Aber Sie haben ja keine Ahnung von solchen Dingen! … Als Sie gestern ins Zimmer kamen, hatten Philps und ich eben eine geraucht, und Sie haben nicht einmal den Geruch erkannt …«
Er mußte einfach fragen:
»Was haben Sie bloß davon?«
Sie entgegnete achselzuckend:
»Nichts!«
Fünf Minuten verstrichen, ohne daß ein Wort gesprochen wurde. Beide starrten gedankenverloren in die rot und grün gemusterte Landschaft, wo winzige schwarze Gestalten ihr Tagwerk verrichteten. Aus der Ferne wirkten die auf der ziegelroten Erde säuberlich ausgerichteten Kaffeesträucher nicht größer als Kohlköpfe.
»Holen Sie mir meine Handtasche, sie liegt unter dem Kopfkissen …«
Er brachte ein Handköfferchen aus Krokodilleder. Das Schloß war mit einem Smaragd verziert, und über den Initialen schwebte eine Krone.
Sie kramte darin, zog etwas hervor.
»Schaun Sie mal!«
Zwei Kinder, ein siebenjähriges Mädchen und ein Bub von zweieinhalb, beide splitternackt am Strand.
»Das war voriges Jahr. In Therapia … Im Winter befindet sich die Botschaft in Ankara, im Sommer übersiedelt sie nach Therapia bei Istanbul … Waren Sie schon einmal dort?«
»Nein!«
Wieder verfielen sie in Schweigen. Irgendwie hatte er das Gefühl, als wüßte sie nicht recht, was sie mit den beiden Fotos anfangen sollte. Schließlich ließ sie sie in ihre Tasche zurückgleiten, die sie mit einem harten Ruck schloß.
»Sie sind schon ein Griesgram!« seufzte sie.
»Nein!«
»Na, was denn sonst?«
»Gar nichts bin ich.«
»Sie sind mir doch nicht böse, wenn ich etwas ganz Ausgefallenes von Ihnen erbitte?«
»Was ist es denn?«
»Ich würde gern Ihre Negerin sehen.«
Er erhob
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