Weißer Mann mit Brille
Elektrizität für jedermann … Bauen Sie sich Ihr Eigenheim auf dem Land …«
Er lächelte. Camille war verlegen, runzelte die Stirn, denn der Doppelsinn des Gesagten ging über sein Begriffsvermögen.
»Haben Sie denn kein Radio?«
»Wir haben einen Empfänger, aber wir schalten ihn nie ein. Er muß völlig vermodert in irgendeiner Werkstatt herumliegen.«
»Bekommen Sie manchmal Zeitungen?«
»Alle anderthalb Monate durch die Post. Meine Schwester schickt mir das Journal de Moulins, sobald sie es selbst gelesen hat. So erfahre ich von den Hochzeiten und den Todesfällen …«
»Die Suppe schmeckt gut. Hat die Negerin …«
»Ja!«
Baligi, völlig verschüchtert, trug nun gekochten Fisch mit zerlassener Butter und Kartoffeln auf.
»Wenn Sie gern Mangofrüchte essen … In dieser Jahreszeit gibt es welche. Auch Avocados kann ich Ihnen anbieten. Kennen Sie die?«
»Ich bin in Indien aufgewachsen und habe in Südamerika, in Australien und Neuseeland gelebt. Waren Sie noch nie in Neuseeland?«
»Nein!«
»Philps stammt von dort.«
»Ich weiß.«
Sein ›ich weiß‹ klang so abweisend, daß minutenlanges Schweigen eintrat.
»Heute abend«, sagte er schließlich, »kommt Major Crosby zu Besuch.«
»Warum?«
»Weil Ihr Captain Philps ihn ganz bestimmt von Niangara aus angerufen hat. Crosby wird ihn mit seinem Wagen abholen und hierherbringen. Die Straße mag in noch so schlechtem Zustand sein, er fährt seine hundert Sachen. Anhalten wird er nur, wenn er auf Wild stößt.«
Der Widerschein des Lichtes wurde stärker, die Atmosphäre schwüler, aber es herrschte eine solche Stille, daß die Stimmen der Negerinnen aus dem unsichtbaren Dorf bis zu ihnen drangen.
Camille hatte nicht die Hälfte von dem gegessen, was er für gewöhnlich verschlang. Im Stillen fragte sich jeder, wie man die Mahlzeit, die sich ungebührlich in die Länge zog, zu einem Ende bringen konnte.
Baligi lehnte am Türstock zur Küche und wartete auf den Befehl, abzutragen.
»Trinken Sie nach dem Essen Kaffee?«
»Kaffee hindert mich am Schlafen, und ich möchte eine Siesta halten …«
Sie machte Anstalten, sich zu erheben. Ferdinand sprang auf. »Camille … Faß mal mit an …«
»Es tut mir leid, Ihnen so zur Last zu fallen … Legen Sie mich einfach auf das Bett …«
Sie war nervös. Beinahe wäre sie mit dem verletzten Bein gegen die Tür gestoßen. Camille zeigte sich besonders ungeschickt, und Ferdinand herrschte ihn mit ungewöhnlicher Heftigkeit an:
»Kannst du denn nicht deine Augen aufmachen?«
Endlich lag sie auf dem Bett. Camille ging rückwärts aus dem Zimmer. Graux blieb unschlüssig stehen. Die Jalousien teilten das Licht in längliche schimmernde Streifen auf.
»Können Sie sie nicht ganz schließen?« sagte Lady Makinson mit matter Stimme.
Man spürte, daß ihre Nerven ungeheuer angespannt waren. Ferdinand brauchte viel länger als nötig, um die Jalousien ganz hinunterzulassen, und als er es endlich bewerkstelligt hatte, wurde der Raum nur noch durch einen vagen Schimmer unbestimmter Herkunft erhellt. Die Luft war stickig, eine Spinne drehte sich an ihrem Faden. »Soll ich sie töten?« fragte er. Ihm versagte beinahe die Stimme. Seine Haltung wirkte so kläglich, geradezu flehend, daß Lady Makinson in nervöses Gelächter ausbrach.
Camille hatte die Tür unwillkürlich hinter sich geschlossen. Das Klappern der Teller, die Baligi von der rotgewürfelten Tischdecke nahm, drang nur gedämpft zu ihnen.
4
26. Februar. – Die ganze Nacht den Leoparden gehört. Die Wirkung auf die Elefanten ist verheerend. Heute morgen war Däumling so nervös, daß er zur Arbeit nicht zu gebrauchen war. Es bleiben noch hundertfünfzig Kilo Salz. Gegen fünf Uhr wurde der südliche Teil der Plantage von einem Heuschreckenschwarm überflogen. Von weitem sieht so etwas aus wie eine Gewitterwolke.
27. Februar. – Der Leopard war wieder da. Camille ist verstimmt.
Seit er in Afrika lebte, notierte Ferdinand Graux allabendlich die wichtigsten Ereignisse des Tages, und alle zehn Tage ergaben seine Aufzeichnungen einen Brief, den er an seine Mutter schickte. Das ging folgendermaßen vor sich: Er fuhr vierzig Kilometer weit zu seinem Briefkasten, den er am Kreuzungspunkt seines Privatweges und der Überlandstraße an einem Baum befestigt hatte. Er hatte zwei Schlüssel, einen behielt er selbst, den anderen hatte er dem Busfahrer ausgehändigt, der den Brief in Bodi abgab. Von dort aus wurde er von Monsieur Smith, dem
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