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Weißer Mann mit Brille

Weißer Mann mit Brille

Titel: Weißer Mann mit Brille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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hatte.
    »Ich glaube, wir sollten auch zufrieden sein«, murmelte Philps nach langem Schweigen.
    Mit einem Ruck wandte sie sich ihm zu. Gleich darauf ärgerte sie sich über die Heftigkeit ihrer Reaktion.
    »Meinen Sie wirklich?«
    »Wirklich! Wenn Mary von diesen Dingen redet …«
    Die Sache war ihm peinlich. Man spürte, daß es ihn schwer ankam, darüber zu sprechen, und daß er nach harmlosen Umschreibungen suchte.
    »Jetzt ist nämlich alles quite correct … Verstehen Sie?«
    Damit jetzt alles korrekt war, mußte doch das Verhältnis zwischen Lady Makinson und Ferdinand zu Ende sein! Außer …
    Denn immerhin galt es ja als durchaus korrekt, daß sie mit Buddy verreiste, ihn bei sich zu Hause empfing und daß ihre Beziehungen, obwohl er zum Freundeskreis ihres Mannes gehörte, nicht rein kameradschaftlicher Natur waren.
    Emilienne hätte es vorgezogen, nichts zu wissen! Würde sie jetzt nicht unablässig an diese beiden Sätze denken müssen, die sie auf zehn verschiedene Arten deuten konnte?
    »Ich muß Ihnen etwas sagen …« Philps sprudelte die Worte nur so heraus, als wollte er dem Gespräch eine andere Wendung geben. »Heute morgen hat mich jemand in Niangara angesprochen, jemand, den Sie kennen … Ich weiß nicht, ob es Sie interessiert …«
    Ihr wurde sofort klar, daß es sich um die Bodets handelte, mit denen sie sich in Gedanken oft beschäftigte. Ja, noch am Morgen hatte sie sich insgeheim darüber gewundert, daß dort noch nichts Schlimmes vorgefallen war.
    »Wissen Sie, wenn ich wegen der Telegramme nach Niangara fahre, stelle ich den Wagen immer vor dem Amtsgebäude ab. Der Administrator empfängt mich sehr freundlich. Er kann ein wenig Englisch, und ich glaube, es macht ihm Spaß, damit zu paradieren. Ein anderer Weißer ist bei ihm angestellt …«
    »Ich weiß … Georges Bodet …«
    »Haben Sie ihn gesehen? Die beiden Männer können sich bestimmt nicht ausstehen. In meiner Gegenwart haben sie kein Wort miteinander gesprochen. Heute stand eine Französin vor dem Gebäude, die mir durch Zeichen bedeutete, ein Stückchen weiter zu fahren …«
    Die Sache war ihm sehr peinlich, denn er empfand den Vorfall als einen schockierenden Verstoß gegen Anstand und Würde.
    »Kennen Sie sie auch? Eine kleine, ziemlich vulgäre Person. Sobald ich anhielt, stieg sie zu mir ins Auto und sagte:
    Ich muß mit Ihnen reden …«
    Einen Augenblick lang vergaß Emilienne den Brief von Lady Makinson, so sehr nahm sie sein Bericht gefangen.
    »Sie fing an, in unwahrscheinlichem Tempo zu sprechen, so daß ich manche Wörter überhaupt nicht verstand. Sie fürchtete sich vor etwas … Andauernd blickte sie zum Amtsgebäude hinüber …
    Ihre erste Frage lautete:
    ›Ist Ferdinand immer noch nicht zurück?‹
    Als ich verneinte, drang sie weiter in mich:
    ›Hat man denn keine Nachricht von ihm? Wissen Sie wirklich nicht, wann er zurückkommt?‹
    Wieder mußte ich verneinen, und das schien sie zur Verzweiflung zu bringen. Dann wollte sie unbedingt, daß ich mich ein Stück weiter vom Amtsgebäude entfernte, denn sie ängstigte sich vor den beiden Männern im Büro.
    ›Sehen Sie das Fräulein oft?‹ lautete ihre nächste Frage. ›Hören Sie gut zu! Sie müssen ihr unbedingt sagen, daß es sehr schlecht steht. Sie weiß Bescheid. Man will mich gegen meinen Willen nach Frankreich zurückschicken. An manchen Tagen redet Georges sogar von Scheidung. Sagen Sie ihr das! Sagen Sie ihr, daß ich nicht mehr weiß, was ich machen soll, aber bevor ich mich hier einfach wegjagen lasse, gehe ich bis zum äußersten …‹«
    Philps lächelte verschämt, als habe er ihr Abbitte zu leisten, und erzählte weiter:
    »Sie war so erregt, daß ich mich gefragt habe, ob sie nicht verrückt geworden sei. Sie redete ununterbrochen, bis einer der beiden Weißen auf den Wagen zukam, der, der kein Englisch spricht. Ohne ein Wort zu sagen, blieb er neben dem Auto stehen. Da stieg die junge Frau schnell aus und rannte davon. Wenn ich an die Szene zurückdenke, habe ich immer mehr das Gefühl, daß ich einem Auftritt zwischen Wahnsinnigen beigewohnt habe …«
    »Ich fahre morgen hin«, seufzte Emilienne.
    »Glauben Sie wirklich, daß da eine Tragödie im Gange ist?«
    »Allerdings!«
    »Und Sie werden die Sache in die Hand nehmen?«
    »Ich weiß nicht.«
    Sie erhob sich mit nervöser Hast, die sonst gar nicht ihre Art war. Dann gab sie sich einen Ruck und sagte:
    »Hören Sie, Philps … Ich möchte Sie bitten, mich allein zu lassen …

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