Weißer Mann mit Brille
nicht den Hof. Wann immer sie seinem Blick begegnete, nie las sie einen Ausdruck darin, der ihr Schamgefühl verletzt hätte. Er war ein guter Kamerad. Er erzählte ihr alles mögliche, vor allem Geschichten aus seinem eigenen Lebensbereich, die er mit treuherziger Offenheit vortrug. Mit der Zeit lernte sie die beiden Seniorenchefs kennen, den Vater und den Onkel, ihre Schrullen, ihre Auseinandersetzungen mit dem Captain und mit ihren Konkurrenten.
Philps bereitete weitere Eiswürfel, füllte das Glas seiner Gastgeberin auf. Schließlich befestigte er auch die Haken für die neuen Vorhänge, wobei er sich freilich mit dem Hammer auf die Finger schlug.
Wenn er einmal im Haus war, sagte er nichts mehr davon, daß er bald aufbrechen müsse.
In den ersten Tagen hatte er sich noch gegen sechs Uhr erhoben und geseufzt:
»Jetzt wird es aber Zeit, daß ich zu Crosby zurückfahre.«
Immerhin hatte er noch an die hundert Kilometer in der Dunkelheit zurückzulegen.
Eines Abends, als Baligi den Tisch für das Abendessen deckte, murmelte Emilienne aus Höflichkeit:
»Wollen Sie nicht mit uns abendessen? Wenn Sie mit einer Kleinigkeit vorliebnehmen …«
»Oh! Sie müssen nicht meinen, daß ich viel esse …«
So war er dageblieben, und inzwischen hatte sich eingebürgert, daß auch für ihn gedeckt wurde und er erst um acht Uhr wegfuhr.
Er gab sich alle Mühe, sich nützlich zu machen, brachte kleine Geschenke mit, vor allem englische Feinkost, wie Gewürze, Kekse, Schokolade. Sie nötigten Emilienne ein Lächeln ab, denn sie wußte wohl, daß alle diese Gaben aus den Vorratskammern des Majors stammten.
Emilienne hatte die zum Erwerb der Plantage notwendigen Papiere nach Brüssel geschickt und ihren Vater damit beauftragt, die zweihunderttausend belgischen Francs zu bezahlen. Sie besaß ein kleines Vermögen, das Erbteil ihrer Mutter, aber der Notar hätte ohnehin nie gewagt, ihr etwas abzuschlagen.
» Das Haus ist sehr schön. Ich glaube, daß es sich hier gut leben läßt …« ,schrieb sie in einem ihrer Briefe.
Was Graux betraf, äußerte sie sich sehr zurückhaltend:
» Ferdinand ist auf Reisen. Bei seiner Rückkehr …«
Sie fand kaum Zeit, traurigen Gedanken nachzuhängen. Vom Morgen bis zum Abend, bei Sonne und Regen war sie auf den verschiedenen Baustellen unterwegs, immer gefolgt von Camille. Wenn sie sich zu den Maschinen begab, nahm sie ein technisches Buch mit, um zu verstehen, wie sie funktionierten.
Sobald Philps auf der Veranda erschien, fühlte sich Camille natürlich zurückgesetzt, und er gab nur noch einsilbige Antworten. Philps wiederum tat, als würde er den jungen Mann überhaupt nicht sehen, als gehörte er zu den Dienstboten. Einmal überredete er sie, eine Einladung bei Crosby zum Mittagessen anzunehmen. So konnte sie die vielgerühmte Elefantenfarm besichtigen, von der sie freilich recht enttäuscht war.
Welch ein Kontrast zu Ferdinands Plantage, zu dem in seiner Schlichtheit so schönen Haus, das er selber erbaut hatte und in dem man sich geborgen fühlte! Schon an der Einfahrt hatte man den Eindruck, in eine Kaserne zu kommen, und daran vermochte auch die Tatsache nichts zu ändern, daß sie im Kolonialstil gehalten war. Kasernenhaft wirkte der säuberlich gerechte Hof, ebenso die niedrigen, mit Aufschriften versehenen Bauten, die Futterspeicher und auch das etwas großzügiger angelegte Gebäude im Hintergrund, das Crosby bewohnte.
Der militärische Anstrich des Ganzen wurde noch dadurch hervorgehoben, daß Trompetenstöße die Kommandos ankündigten und die schwarzen Arbeiter sich morgens und abends in Reih und Glied zum Appell aufstellen mußten.
Die Elefanten bekam Emilienne erst gegen Abend, bei ihrer Rückkehr von der Arbeit zu Gesicht. Die Kornaks ließen sie ein paar Minuten im Fluß herumplanschen, damit sie trinken und sich abkühlen konnten.
Dann wurden sie in ihre Ställe gebracht und eine Stunde lang, wie in einem Kavallerieregiment, gestriegelt, wobei der Major strenge Aufsicht führte, ohne je seine Peitsche aus der Hand zu legen.
Zwei- oder dreimal im Jahr veranstaltete Crosby eine Jagd, an der zahlreiche Eingeborene und einige abgerichtete Elefanten teilnahmen. Dabei wurden wilde Tiere eingefangen. Die eigentliche Arbeit bestand darin, sie zu zähmen, wie man es mit Pferden macht, und sie vor allem für bestimmte Verrichtungen auszubilden.
»Gut dressierte Elefanten verkaufe ich für fünfzigtausend Francs«, behauptete Crosby voller Stolz. »Die Tiere, die in
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