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Weißer Mann mit Brille

Weißer Mann mit Brille

Titel: Weißer Mann mit Brille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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horchte, murmelte:
    »Haben Sie gehört? Es fängt wieder an zu regnen. Das wird jetzt gut zwei Monate dauern. In manchen Gegenden halten die Regenfälle ein halbes Jahr lang an … Das ist übrigens in Matadi der Fall, wo Bodet seine ersten Dienstjahre verbracht hat …«
    Das war dumm von ihm gewesen! Sie verzog das Gesicht, als der kleine stellvertretende Administrator wieder in ihren Gedanken aufkreuzte, vor allem weil in seinem Gefolge auch Yette, Madame Costemans und ihr Baby ihre Erinnerung bevölkerten. Madame Costemans hatte nämlich ein Baby …
    Emilienne erhob sich. Sie hatte fast ein wenig Angst, allein in ihrem, nein, in Ferdinands Zimmer zu sein.
    »Camille …«
    »Ja …«
    »Hat sie …« Sie wandte den Kopf ab. »Hat sie mit ihm geschlafen?«
    »Niemals!« beteuerte er.
    Es war nur eine halbe Lüge! Niemals während einer ganzen Nacht!
    »Wecke mich morgen nicht! Ich muß mich ausruhen …«
    Als Camille ihr die Hand reichte, hatte er Tränen in den Augen. Während er sich schlafen legte, sprach er mit sich selbst. Und schon begann er Baligi zu vergessen.

8
    Bisweilen mußte er eine gute Stunde warten, doch erweckte er keineswegs den Eindruck, daß ihm die Zeit lang wurde. Ganz im Gegenteil! Er schien glücklich darüber, allein im Bungalow zu sein und sich darin frei bewegen zu können, als wäre er hier zu Hause.
    Er kam immer zur gleichen Tageszeit, gegen vier Uhr nachmittags. Wenn Philps dem Auto des Majors entstieg, das schon seine zweihundert Kilometer hinter sich hatte, genügte ein kurzer Rundblick, um zu wissen, wo sich Emilienne gerade aufhielt.
    Bei Regenwetter war die Tür zur Krankenstation nur angelehnt. Das bedeutete, daß hier gearbeitet wurde, denn das junge Mädchen hatte beschlossen, den von Ferdinand geplanten Umbau in Angriff zu nehmen.
    Oft auch sah er sie, stets in Begleitung von Camille, der seine Rolle als mustergültiger Verwalter sehr ernst nahm, wie sie sich über die Turbinen beugte oder auf dem mit Kaffeesträuchern bepflanzten Hügel umherwanderte.
    Philps ging nicht zu ihr. Er rauchte eine Zigarette auf der Veranda, den Blick auf den fernen Horizont gerichtet.
    Von Camille hatte er erfahren, daß sich im Haus eine kleine Eismaschine befand. Er setzte sie in Gang und verrichtete diese Arbeit mit einer Hingabe, die man ihm nicht zugetraut hätte, und wenn Emilienne erschöpft ins Haus zurückkehrte, fand sie ihn am Tisch sitzend vor, auf dem zwei Gläser bereitstanden.
    Stets sprang er mit einem Satz auf, neigte sich über ihre Hand, um sie zu küssen, und meldete mit gespieltem Ärger:
    »Immer noch nichts!«
    Diese doppelsinnige Formel hatten sie gemeinsam erfunden. Offiziell fuhr der Captain jeden Tag mit dem Wagen nur deshalb nach Niangara, um sich zu vergewissern, ob der Propeller inzwischen nicht in Juba eingetroffen war, wohin ihn die Imperial Airways befördern sollten.
    Am zweiten Tag aber hatte ihm Emilienne scheinbar beiläufig gesagt:
    »Sollte ein Telegramm für mich gekommen sein, dann seien Sie doch so gut und bringen es mit …«
    Seitdem war zwar immer nur vom Propeller die Rede, doch beide erfaßten sofort den Hintersinn des Gesagten. Der Propeller war im Verzug! Die Londoner Firma mußte einen neuen bauen, überdies war es im Laufe des Depeschenwechsels zu Gott weiß was für Mißverständnissen gekommen.
    Auch Ferdinand gab keine Nachricht, aber sie taten so, als sei das überhaupt nicht verwunderlich. Ja, sie waren dazu übergegangen, so von ihm zu sprechen, als verstünde sich seine Abwesenheit von selbst, als befände er sich zum Beispiel auf einer Geschäftsreise.
    Wie von ungefähr hatte Philps diese Spielregeln eingeführt. Camille brauchte am längsten, bis er sie beherrschte. Immer wieder verstieß er dagegen und ließ sich seine Niedergeschlagenheit anmerken.
    »Sag mal, Camille … Hatte er einen besonderen Grund, um keine Vorhänge an den Fenstern anzubringen?«
    Camille zuckte zusammen, denn seine Gedanken kreisten um etwas ganz anderes.
    »Nein! Moment mal … Irgendwo haben wir Vorhangstoff … Wir hatten wohl keine Zeit …«
    Sie machte sich auf die Suche nach dem Stoff, fand ihn auch und begann noch am selben Tag mit der Arbeit, genau zu dem Zeitpunkt, als Philps aus Niangara eintraf, ohne Nachricht zu bringen.
    Er setzte sich zu ihr. So wie er für Lady Makinson die Zigaretten anzündete, so war er auch jetzt immer bereit, sich nützlich zu machen, etwas abzuschneiden oder die Nähnadel einzufädeln.
    Er machte dem jungen Mädchen

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