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Weißer Mann mit Brille

Weißer Mann mit Brille

Titel: Weißer Mann mit Brille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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Stanleyville die Karren der Stadtreinigung ziehen, stammen von meiner Farm … Auch Graux’ Elefanten kommen von mir. Manche vermiete ich auch an die Siedler, die dafür jährlich zehntausend Francs bezahlen …«
    Das Unternehmen brachte ihm sicher kein Geld ein, sondern war ein Verlustgeschäft. Da er kein eigenes Vermögen besaß, ließ er sich von verschiedenen englischen und belgischen Organisationen unterstützen.
    Obwohl er ganz allein in seinem Haus lebte und eine Unmenge Whisky trank, behielt er bis zur Schlafenszeit seine würdevolle Haltung bei, als befände er sich in seinem Klub in Singapur oder in London.
    Als Emilienne um sieben Uhr abends in der Dunkelheit aufbrach, drängte Philps nicht darauf, sie heimzufahren, er begnügte sich damit, ein Gewehr zu holen und es neben ihren Sitz ins Auto zu legen.
    »Vielleicht bekomme ich morgen Nachricht von meinem Propeller …«
     
    Aber keine Nachricht war gekommen, weder von seinem Propeller noch von Ferdinand. Doch als er Emilienne am nächsten Tag mit Handkuß begrüßte, spürte diese sofort, daß etwas vorgefallen war. Sie wagte nicht, ihm Fragen zu stellen, denn sie wollte ihm an Diskretion nicht nachstehen. Sie ließ sich in einen Sessel fallen. Ungeachtet ihrer beherzten Tatkraft, die sie allen gegenüber an den Tag legte, war sie völlig erschöpft, da sie ja alles tat, um abends so abgeschlagen zu sein, daß sie sofort in schweren Schlaf fiel.
    »Wissen Sie, es wird mir schon komisch vorkommen, meine Nachmittage nicht mehr hier zu verbringen«, sagte er unvermittelt und lächelte sie freundlich an.
    War es ihm nicht ebenso ergangen, als er Lady Makinsons Zigaretten nicht mehr anzünden konnte? Es war ihm ein Bedürfnis, im Schlepptau einer Frau zu leben, selbst wenn er in ihrem Dienst nur Nadeln einfädelte oder Nägel in die Wand schlug.
    »Warum sagen Sie das?«
    »Weil der Propeller in Kürze eintreffen muß.«
    Meinte er den Propeller im eigentlichen oder im übertragenen Sinn? Sie war zusammengezuckt. Unwillkürlich blickte sie auf seine Tasche, in der sich vielleicht das Telegramm befand.
    »Ich werde zwei Tage und zwei Nächte lang den Indischen Ozean überfliegen …«
    Er lächelte wiederum und entblößte dabei seine blendendweißen Zähne. Mitunter war er kokett wie eine Frau.
    »Ich genieße noch unser gemütliches Eckchen, bevor es zu spät ist …«
    Zärtlich verweilte sein Blick auf der Barza, den Ziegelwänden, den Deckstühlen, auf allem, was das ›gemütliche Eckchen‹ ausmachte.
    »Heute habe ich einen Brief aus Istanbul erhalten …«
    Endlich rückte er damit heraus! Er holte das Schreiben aus seiner Tasche hervor. Die großen, schwungvollen Buchstaben ließen auf den ersten Blick eine Damenhandschrift erkennen.
    »Sie können doch Englisch lesen? Ich begehe keine Indiskretion, wenn …«
    Während sie las, mixte er sich einen Whisky Soda.
     
    Lieber Buddy,
    Wie Sie sehen, bin ich früher eingetroffen, als ich dachte, denn ich brauchte nur vier Tage bis Istanbul.
    Ich hatte nämlich keine Lust, in Port Said oder Alexandria auf das Schiff zu warten und zwei Tage auf dem Meer zu verbringen. Von Khartum habe ich James telegrafiert, damit er sich mit der Admiralität in Verbindung setzt. Diese hat mir in Alexandria ein Wasserflugzeug zur Verfügung gestellt, und noch am Abend desselben Tages sind wir auf dem Bosporus niedergegangen.
    James geht es ausgezeichnet. Die Botschaft ist für die Sommersaison schon nach Therapia übersiedelt, und wir werden ein Landhaus mieten, damit wir die Kinder bei uns haben können.
    Sie brauchen sich wegen meiner Reise nicht zu beunruhigen, die ohne jeden Zwischenfall verlief. Ich bin sogar recht zufrieden mit mir. Ich werde Ihnen alles erzählen, wenn Sie im September nach Aix-les-Bains kommen, denn James will dort seine Kur machen, und ich glaube, ich werde ihn begleiten.
    Haben Sie inzwischen Nachricht vom Propeller? Ich habe gestern in London angerufen, aber man konnte mir dort keine Auskunft geben.
    Handschlag für den lieben Major Crosby und auch für Sie, dear Buddy,
    Mary
     
    Emilienne wagte kein Wort zu sagen. Nur zwei Sätze sollte Philps ihr erklären, die allein in diesem Brief zählten:
    … die ohne jeden Zwischenfall verlief …
    Warum nur hatte sie von der Admiralität eine Maschine angefordert, um das Mittelmeer zu überfliegen?
    Und warum war sie mit sich so zufrieden? Um diesen Satz zu verstehen, mußte man Lady Makinson kennen, die Emilienne nie zu Gesicht bekommen

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