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Weisser Oleander

Weisser Oleander

Titel: Weisser Oleander Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janet Fitch
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waren in jenem Jahr in die Staaten zurückgekehrt und lebten in Hollywood. Der Tag war heiß und dunstig, und meine Mutter hatte schlechte Laune. Sie holte mich spät aus dem Kinderhort ab, um mit mir auf den Markt zu gehen. Wir fuhren in dem alten Datsun, den sie damals besaß; ich erinnere mich noch an den heißen Sitz mit Waffelmuster und daran, dass ich durch ein Loch im Bodenblech die Straße sehen konnte.
    Die Vorschule hatte gerade angefangen, und unsere junge Erzieherin, Mrs. Williams, hatte sich nach unseren Vätern erkundigt. Die Väter wohnten in Seattle, Panorama City oder San Salvador; einige waren sogar tot. Sie waren Rechtsanwälte, Trommler oder montierten Autofenster.
    »Wo ist mein Vater?«, fragte ich meine Mutter.
    Sie schaltete gereizt in einen niedrigen Gang, wobei ich unsanft in den Gurt gedrückt wurde. »Du hast keinen Vater«, erwiderte sie.
    »Jeder hat einen Vater«, sagte ich.
    »Väter sind unwichtig. Glaub mir, du hast Glück gehabt. Ich hatte einen, ich weiß, wovon ich rede. Vergiss es einfach.« Sie drehte das Radio an, und lauter Rock ’n’ Roll erklang.
    Es war, als ob ich blind sei und sie mir gesagt hätte, das Augenlicht sei unwichtig, es sei ohnehin besser, nichts zu sehen. Ich fing an, Väter zu beobachten, in Läden, auf Spielplätzen, wenn sie ihren Töchtern auf den Schaukeln Schwung gaben. Es gefiel mir, dass sie anscheinend genau wussten, was sie zu tun hatten. Sie kamen mir vor wie ein Raumschiffdock, sicher und fest mit der Welt verbunden, nicht haltlos schwebend wie wir. Ich hoffte, dass Barry Kolker so ein Vater sein konnte.
    Ihre geflüsterten Zärtlichkeiten waren meine Schlaflieder. Sie waren mein Wunschkästchen und verhießen mir Wäsche, Urlaub im Feriencamp, neue Schuhe und ein richtiges Weihnachtsfest. Ich sah gemütliche Familienessen vor mir, ein eigenes Zimmer, ein Fahrrad, Elternabende. Ein Jahr, das endlich genauso sein würde wie das vorhergehende, genauso wie das folgende, eine sichere Brücke. Und noch viel mehr sah ich; namenlose, kleine Dinge, wie sie sich vaterlose Mädchen wünschen.
    Am Vierten Juli ging Barry mit uns zum Baseballspiel ins Dodger-Stadion und kaufte uns Dodger-Kappen. Wir aßen Hot Dogs, sie tranken Bier aus Pappbechern, und er erklärte ihr Baseball, als sei es eine Philosophie, der Schlüssel zum amerikanischen Charakter. Barry warf dem Erdnussverkäufer Geld zu und fing die Tüte auf, die der Mann zurückwarf. Wir ließen unsere Erdnussschalen auf den Boden fallen. Ich erkannte uns in unseren blauen Schirmmützen kaum wieder. Wir waren wie eine richtige Familie. Ich stellte mir vor, wir seien Vater, Mutter und Kind. Wir rissen die Arme empor und machten die Welle, und sie küssten sich während des gesamten siebten Inning, während ich kleine Gesichter auf die Erdnüsse malte. Das anschließende Feuerwerk setzte sämtliche Autoalarmanlagen auf dem Parkplatz in Gang.
    An einem anderen Wochenende machte er mit uns einen Ausflug nach Catalina. Auf der Fähre wurde ich furchtbar seekrank, und Barry kühlte mir mit seinem Taschentuch die Stirn und besorgte mir Pfefferminzbonbons zum Lutschen. Ich mochte seine braunen Augen, seinen besorgten Blick, so als habe er noch nie ein Kind kotzen sehen. Als wir endlich angekommen waren, hielt ich mich im Hintergrund, denn ich hoffte, dass er ihr einen Heiratsantrag machen würde, während sie zwischen den Segelbooten herumschlenderten und Schrimps aus einer Papiertüte aßen.
    Irgendetwas geschah. Ich erinnere mich nur daran, dass die Santa-Ana-Winde eingesetzt hatten. Das skelettartige Rasseln des Windes in den Palmen. Ein Abend, an dem Barry eigentlich um neun kommen wollte, doch dann war es plötzlich elf, und er war immer noch nicht aufgetaucht. Meine Mutter hörte die Kassette mit der peruanischen Flötenmusik, um ihre Nerven zu beruhigen, dann irische Harfenmusik, bulgarische Gesänge, doch nichts half. Die beruhigende, harmonische Musik bekam ihrer Stimmung nicht. Ihre Bewegungen waren unruhig und abgehackt.
    »Lass uns schwimmen gehen«, schlug ich vor.
    »Ich kann nicht«, erwiderte sie. »Vielleicht ruft er noch an.«
    Schließlich riss sie die Kassette aus dem Recorder und legte stattdessen eine von Barrys Jazzkassetten ein, Chet Baker, romantische Musik, mit der man sie früher hätte jagen können.
    »Cocktailbarmusik. Für Leute, die dabei in ihr Bier heulen wollen«, sagte sie. »Aber ich habe kein Bier im Haus.«
    Er verließ die Stadt, um Aufträgen für verschiedene

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