Weißer Schatten
erfolgreich, er wurde immer bekannter. Kaum ein Jahr später traf er Sara.
Dies war ein entscheidender Augenblick in der le Roux-Geschichte, wie in vielen Familien-Sagas, die ich über die Jahre gehört
hatte. Als Emma sie vortrug, war da die ewige Überraschung über die Vorsehung, das Schicksal der sich kreuzenden Wege ihrer
zukünftigen Eltern.
Der kleine Industriepark Bothavilles befand sich im Norden der Stadt, auf der anderen Seite der Gleise. Um seine Unterkunft
in der Innenstadt zu erreichen, musste Johan le Roux über die Fußgängerbrücke des Bahnhofs gehen und den Bahnhofsteig entlang.
Verschwitzt und schmutzig, mit seiner blechernen Lunchbox in der Hand, folgte er eines Nachmittags seinem normalen Weg. Im
Vorbeigehen schaute er neugierig durch die Fenster des hell erleuchteten, übervollen Restaurants am Bahnhof – und entdeckte
eine hübsche junge Frau, die dort saß. Er blieb augenblicklich stehen. Es war ein magischer Augenblick: Das hübsche Mädchen
mit dem frechen Hütchen, einer schneeweißen Bluse und roten Lippen hielt eine Tasse Tee in seinen zarten Händen.
Lange Zeit stand er auf dem dämmrigen Bahnsteig und sah |58| sie an, zerrissen von dem Wissen, dass sie für ihn bestimmt war, dass aber sein ölfleckiger Overall keinen guten Eindruck
hinterlassen würde. Er konnte es jedoch auch nicht riskieren, nach Hause zu gehen, um sich umzuziehen, denn wenn er zurückkehrte,
wäre sie vielleicht schon mit einem Zug davongefahren.
Schließlich öffnete er die Tür und ging zu dem Tisch, an dem sie saß. »Ich bin Johan le Roux«, sagte er. »Ich sehe viel besser
aus, wenn ich gebadet habe.«
Sie sah auf und erkannte den Mann hinter dem Arbeiter, sein sanftes Lächeln, den intelligenten Blick und den Lebenshunger.
»Ich bin Sara de Wet«, sagte sie und streckte ihm, ohne zu zögern, die Hand hin, »und mein Zug hat Verspätung.«
Johan bot an, sie auf eine weitere Tasse Tee einzuladen. Sie hielt einen Augenblick inne, berichtete sie später ihren Kindern,
wie jemand am Rande eines Abgrunds. Sie wusste mit absoluter Sicherheit, dass ihr »Ja« oder »Nein« eine Gabelung am Weg ihres
Lebens darstellte. »Ja, bitte, das wäre nett«, entgegnete sie dann. In der Stunde, bevor ihr Zug Sara davontrug, hatten sie
ihre Lebensgeschichten ausgetauscht und die ersten Schritte auf der Straße der Liebe getan. Sara war die ältere von zwei Töchtern
des einzigen Anwaltes in Brandfort, unterwegs nach Johannesburg, um dort als Schreibkraft eines Bergbaubetriebes zu arbeiten.
Sie verfügte über ein Sekretärinnen-Zertifikat vom Bloemfontein College – und eine nervöse Vorfreude auf die großen Abenteuer,
die in der Stadt auf sie warteten. Johan schrieb seine Adresse auf die Rückseite des Restaurant-Bons (mittlerweile ein vergilbtes,
kaum leserliches Fragment der Geschichte, das Emma in einer alten Familienbibel aufbewahrte), und sagte, sie könne ihm schreiben,
wenn sie wolle.
Und das hatte sie getan. Zuerst korrespondierten sie ein paar Monate, dann nahm die Fernromanze Formen an. Einmal im Monat
fuhr er über das Wochenende zu ihr, jede Woche erhielt Johan einen langen Brief und schickte einen ab. Dann |59| und wann, nur um ihre Stimme zu hören, rief er sie über die knisternden Telefonleitungen Bothavilles an.
Ein Jahr später erschienen die Männer von Sasol vor seiner Werkstatttür. Es war 1958. Ihre Fabrik arbeitete schon seit drei
Jahren, aber der Antrieb einiger Kohlentransportzüge funktionierte einfach nicht gut genug. Sie suchten jemanden, der sie
instand setzen und verbessern konnte, und hatten gehört, dass Johan le Roux der Meister aller Getriebe sei.
Der Vertrag, den er aushandelte, war gut genug, um eine eigene Firma in Vanderbijl Park zu eröffnen, aber nicht so großzügig,
dass er um Saras Hand anhalten konnte. Dafür musste er bis 1962 warten, als seine Schulden bezahlt waren. Aber in diesen vier
Jahren sahen sie einander wenigstens jedes Wochenende und konnten täglich telefonieren.
Im Jahr 1963 heirateten sie in Brandfort, und gemeinsam führten sie Le Roux Engineering Works – er in der Werkstatt, sie übernahm
Verwaltung und Buchhaltung. Drei Jahre später wurde Jacobus Daniël le Roux geboren, und Sara wurde Mutter und Hausfrau. 1968
waren sie für ein weiteres Kind bereit, aber Johan le Roux’ wachsende Bekanntheit veränderte ihr Leben erneut. Diesmal war
es ein langer schwarzer Sedan vor der Werkstatttür – und drei
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